Bhutan,
Königreich
im südlichen Zentralasien, im östlichen Himalaya gelegen.
Es wird im Norden und Nordwesten von Tibet, einem autonomen
Gebiet Chinas, und im Osten, Süden und Südwesten von
Indien begrenzt. Die Gesamtfläche des Landes beträgt
47000 Quadratkilometer.

Das Land wird von drei Großlandschaften geprägt:
Im Norden liegt der Himalaya, im Zentrum der Vorderhimalaya
und im Süden fällt das Land zu den schwer zugänglichen
Ausläufern des Ganges-Brahmaputra-Tieflands ab. Hier bildet
die Duar-Ebene, ein enger Landstrich, das Flachland von Bhutan.
Die Gebirgszüge des Himalaya erheben sich steil aus der
Ebene: An der Grenze zu China erhebt sich der Kula Kangri, mit
7554Metern höchster Berg des Landes. Die Flüsse in
Bhutan sind nicht für die Schifffahrt geeignet und fließen
in den Brahmaputra in Indien.
Das Klima zeichnet sich durch subtropische Temperaturen in der
Duar-Ebene und gemäßigte Temperaturen mit kalten
Wintern und warmen Sommern in den Gebirgstälern aus. In
höheren Regionen wird das Klima zunehmend rau. Die durchschnittlichen,
jährlichen Niederschläge sind relativ hoch und reichen
von 1520Millimetern in den Gebirgstälern bis zu 5880Millimetern
in der Duar-Ebene. Zur Zeit des Sommermonsuns fallen 80Prozent
der Niederschläge. Die Vegetation des Landes reicht von
den Monsun- und tropischen Regenwäldern bis hin zu alpinen
Birkenwäldern und Grasmatten. Mehr als zwei Drittel des
Landes sind bewaldet. Reichhaltig ist auch die Fauna: In den
Höhen des Nordens lebt der Yak, im Süden finden Elefanten,
Leoparden, Hirsche, Bären, Büffel und Tiger ihren
Lebensraum.

Die größte ethnische Gruppe, die Bothia, siedelt
in den Hochtälern des Vorderhimalaya. Sie stellt 70Prozent
der Bevölkerung. Im Osten leben nepalesische Einwanderer.
Die Einwohnerzahl belief sich nach einer Schätzung von
1992 auf 1610000. Thimphu, die Hauptstadt und größte
Ansiedlung des Landes, hatte 1993 etwa 30300Einwohner. Die offizielle
Landessprache ist Dzongkha, ein tibetischer Dialekt. Die Hauptreligion
ist eine lamaistische Form des Buddhismus. In Bhutan gibt es
zahlreiche Klöster und etwa 6000Mönche.


Obwohl alle Kinder bis zum elften Lebensjahr in Grundschulen
oder weiterführenden Schulen eingeschrieben sind, besuchen
nur wenige tatsächlich den Unterricht. Die Analphabetenrate
ist mit 80Prozent sehr hoch.

Bhutan ist eine konstitutionelle Monarchie. Der König Jigme
Tingye Wangchuck wird von einem Königlichen Rat unterstützt,
dessen Mitglieder er benennt. Theoretisch wird die Gesetzgebung
vom Tshogdu (Nationalversammlung) ausgeübt, von dessen
151Mitgliedern 106 direkt vom Volk gewählt werden; die
anderen werden vom König ernannt oder indirekt gewählt.
Steinkohle, Kupfererz und Graphit werden abgebaut, spielen jedoch
in der Handelsbilanz des Landes keine wesentliche Rolle. Wesentlich
wichtiger ist die Landwirtschaft: Der bewirtschaftete Boden
ist meist in Terrassenform angelegt und wird bewässert.
Die Haupternteerträge sind Reis, Weizen, Mais und Kartoffeln.
Kardamom und Obst, einschließlich Äpfel, Birnen und
Pflaumen werden für den Export angepflanzt. In der Viehzucht
überwiegen Rinder, Yaks und Schafe. Ferner wurden einige
Branchen der Leichtindustrie entwickelt. Hierzu gehört
die Herstellung von Textilien, Zement, Streichhölzern und
Genussmitteln. 1991 produzierte Bhutan pro Jahr 1950000Kilowattstunden
Elektrizität; 38Prozent davon wurden in Wasserkraftwerken
erzeugt. Seit 1961 wird die Entwicklung der Wirtschaft von Fünfjahresplänen
bestimmt. Der sechste Wirtschaftsplan für die Jahre 1987
bis 1992 sah die Nutzung der Wälder und Bodenschätze
ebenso vor wie die Weiterentwicklung von medizinischen Einrichtungen.
Seit 1974 kommen auch Touristen nach Bhutan. 1990 besuchten
1500Touristen das Land. Der Tourismus wurde zur Haupteinnahmequelle
des Landes. Das Straßennetz, welches 1990 eine Länge
von 2336Kilometern hatte und viele Teile des Landes miteinander
verbindet, ist nur zur Hälfte asphaltiert. Ein Eisenbahnnetz
existiert nicht. Zwischen Bhutan und seinen Anrainerstaaten
bestehen etliche Fluglinien. Die Währungseinheit von Bhutan
ist der Ngultrum (1993 waren 31,94Ngultrum an der internationalen
Börse mit einem US-Dollar notiert).

Bis zum 9. Jahrhundert regierten indische Prinzen in Bhutan,
ehe diese von der heute dominierenden Volksgruppe, den Bothia,
aus dem Land vertrieben wurden. Der Name Bothia stammt von Bod
ab, der alten Bezeichnung für Tibet. Der lamaistische Buddhismus
(siehe Lamaismus) hielt auf diesem Weg in Bhutan Einzug. Mitte
des 16. Jahrhunderts übersäten befestigte Klöster
(dzongs) die inneren Himalayatäler. Von 1300 bis 1600 war
die Geschichte Bhutans von Konflikten zwischen den einzelnen
Eliten gekennzeichnet. Schließlich wurde die Macht zwischen
dem Dharma Radscha, dem geistlichen Führer, und dem Deb
Radscha, dem weltlichen Herrscher, aufgeteilt. Während
des 17. und 18. Jahrhunderts beherrschten Streitigkeiten zwischen
den Adelsfamilien das Land. Bhutan verfolgte eine aggressive
Außenpolitik gegenüber seinen Nachbarländern,
welche schließlich 1772 zu einem Konflikt mit Britisch-Indien
führte. Die britische Annexion von Assam 1826 erhöhte
die Spannungen an der Grenze, doch der Waffenstillstand konnte
bis 1864 gewahrt werden. Dann kam es zum Krieg. Im Friedensabkommen
von 1865 musste Bhutan bestimmte Grenzgebiete an das britisch
besetzte Indien abtreten. Im Gegenzug dafür erhielt es
jährliche Subventionszahlungen. Im späten 19. Jahrhundert
überschatteten mehrere Bürgerkriege das Land. Bhutan
blieb ein wichtiger Pufferstaat für das britisch besetzte
Indien. Der Vertrag von 1910 zwischen den Briten und der 1907
neu etablierten Erbmonarchie garantierte Bhutan innere Autonomie
und jährliche Subventionen. Andererseits gestattete er
den Briten eine Kontrolle über die Außenpolitik des
Landes. Diese Vereinbarungen wurde auch im Vertrag von 1949
mit dem nun unabhängigen Indien beibehalten. Chinas Gebietsansprüche
und die Auseinandersetzungen aufgrund tibetischer Flüchtlinge
im Jahr 1959 stärkten die Beziehungen zwischen Bhutan und
Indien. Zwischen beiden Ländern wurden in der Folge Verträge
zu wirtschaftlicher und militärischer Unterstützung
geschlossen und diplomatische Vertretungen eingerichtet. Bhutan
wurde Mitglied der Vereinten Nationen (1971) und der blockfreien
Staaten (1973).
