Indien,
amtlich: Republik Indien (Hindi Bharat), parlamentarischer Bundesstaat
in Südasien und Mitglied des britischen Commonwealth, bildet
zusammen mit Pakistan und Bangladesh den Indischen Subkontinent.
Indien ist hinsichtlich der Fläche der siebtgrößte,
hinsichtlich der Bevölkerungszahl nach China der zweitgrößte
Staat der Erde. Geographisch umfasst das Land die gesamte indische
Halbinsel sowie Teile des asiatischen Festlands. Der Staat grenzt
im Norden an Afghanistan, Tibet, Nepal und Bhutan; im Süden
an die Palkstraße und den Golf von Mannar, der das Land
von Sri Lanka und dem Indischen Ozean trennt; im Westen an das
Arabische Meer und Pakistan und im Osten an Myanmar (Birma), den
Golf von Bengalen und Bangladesh, das den Nordosten Indiens fast
völlig vom Rest des Landes abtrennt. Mit Jammu and Kashmir
(über deren endgültigen Status noch nicht entschieden
ist) verfügt Indien über eine Fläche von 3287263
Quadratkilometern. Die Hauptstadt ist Neu-Delhi; größte
Stadt ist Bombay.

Indien lässt sich in vier geographische Großräume
einteilen: den Himalaya, die nördlichen Stromebenen, das
Hochland von Dekkan sowie die West- und Ostghats.
Physische Geographie
Das Gebirgssystem des Himalaya erstreckt sich mit einer Breite
von etwa 160 bis 320Kilometern über eine Länge von 2415Kilometern
entlang des nördlichen und westlichen Randes des Indischen
Subkontinents und trennt ihn damit vom übrigen Asien. Das
Gebirge ist das höchste und jüngste Gebirge der Welt
und geologisch eines der aktivsten. Zu den höchsten Bergen,
die ganz oder teilweise auf indischem Gebiet liegen, gehören
der Kangchenjunga (8586Meter), der dritthöchste Berg der
Welt nach Mount Everest und K2 (Godwin-Austen); der Nanga Parbat
(8126Meter); der Nanda Devi (7817Meter); der Rakaposhi (7788Meter)
und der Kamet (7756Meter).
Südlich und parallel zum Himalaya befinden sich Stromebenen,
die Breiten zwischen 280 und 400Kilometern aufweisen. Bei dieser
Region handelt es sich um die größte Schwemmlandebene
der Welt; sie umfasst den größten Teil des Einzugsgebiets
der Flüsse Indus, Ganges und Brahmaputra. Aufgrund des Wasserreichtums
und der ertragreichen Schwemmlandböden gehört diese
Region zum fruchtbarsten und bevölkerungsreichsten Teil Indiens.
Dort befindet sich auch die Wiege der indischen Kultur. Die Ebenen
erstrecken sich in West-Ost-Richtung von der pakistanischen Grenze
bis hin zur Grenze zu Bangladesh und dann weiter in Richtung des
Nordosten Indiens über den engen Landkorridor in der Nähe
von Darjeeling.
Der mittlere und der westliche Teil der indischen Stromebenen
befinden sich im Einzugsgebiet des Ganges und seiner Nebenflüsse,
welche die südlichen Hänge des Himalaya entwässern.
Daher wird diese Region auch als Ganges-Ebene bezeichnet. Die
nordöstlichen Bundesstaaten Assam und Arunachal Pradesh liegen
im Einzugsgebiet des Brahmaputra und seiner Nebenflüsse,
die im nördlichen Himalaya entspringen. Der Brahmaputra erreicht
nördlich des Khasigebirges die Grenze zu Bangladesh. Der
Indus entspringt in Tibet, fließt in westliche Richtung
durch den Bundesstaat Jammu and Kashmir und überquert dann
die Grenze nach Pakistan. An der Südwestgrenze zu Pakistan
geht die Ebene in die Wüste Tharr und die Salzsümpfe
von Rann of Kutch über.
Südlich der Ebenen liegt das Hochland von Dekkan, das den
Großteil der indischen Halbinsel bedeckt. Die zumeist felsige
Oberfläche des nach Osten geneigten Plateaus gliedert sich
durch Gebirgszüge geringer Höhe und tief eingeschnittene
Täler in verschiedene natürliche Regionen. Die Erhebungen
erreichen in der Regel zwischen 305 und 915Meter, vereinzelt aber
auch bis zu 1220Meter. Begrenzt wird das Hochland von Dekkan durch
zwei Gebirge: die Westghats und die Ostghats.
Die Westghats fallen zum Arabischen Meer hin steil ab und erreichen
eine durchschnittliche Höhe von 915Metern. Die fruchtbare
Malabarküste befindet sich zwischen den Westghats und dem
Arabischen Meer. Die durchschnittliche Höhe der Ostghats
beträgt 460Meter. Zwischen den Ostghats und dem Golf von
Bengalen liegt eine schmale Küstenebene: die Koromandelküste.
Die beiden Gebirgszüge treffen am südlichsten Punkt
des Hochlandes von Dekkan im Gebirgsmassiv der Nilgiri-Berge aufeinander
(in der Nähe der Stadt Bangalore).

Aufgrund der Halbinsellage, der ungewöhnlichen Topographie
und der geographischen Position Indiens herrschen sowohl regional
als auch saisonal höchst unterschiedliche Klimaverhältnisse.
Es finden sich sowohl tropische als auch gemäßigte
Klimazonen; extreme Temperaturunterschiede sind größtenteils
auf die Hänge des Himalaya beschränkt. Abgesehen von
den Gebirgsregionen herrscht in Indien ein tropisches Klima. Saisonale
Schwankungen durch den Südwest- und Nordost-Monsun haben
tief greifende Auswirkungen auf Temperatur, Feuchtigkeit und Niederschläge
auf dem gesamten Subkontinent. Im Allgemeinen lässt sich
zwischen Trockenzeiten und Regenzeiten unterscheiden. Die Regenzeit,
die in der Regel im Juni beginnt und bis November anhält,
wird vom Südwest-Monsun ausgelöst; darunter versteht
man einen Wind mit hoher Luftfeuchtigkeit, der vom Indischen Ozean
und dem Arabischen Meer herüber weht. Er erreicht zunächst
die Westküste der Halbinsel und erstreckt sich schließlich
auf das ganze Land. Während dieser Jahreszeit kann es zu
starken Regenfällen kommen, die an den Westghats nicht selten
mehr als 3175Millimeter ausmachen. In Cherrapunji im Khasigebirge
im Nordosten Indiens beträgt die jährliche Niederschlagsmenge
etwa 10920Millimeter. Die durchschnittliche Niederschlagsmenge
an den Südhängen des Himalaya beläuft sich auf
etwa 1525Millimeter. Mitunter bleibt der Südwest-Monsun auch
aus, was zu Dürren und Hungerkatastrophen führen kann.
Der Monsun hat auch negative Seiten: So kommt es während
der Regenzeit vielfach zu Mückenplagen und Malariaepidemien,
während die starken Temperaturschwankungen zwischen Tag und
Nacht Erkrankungen der Atemwege fördern. Normalerweise lässt
die Intensität des Monsuns im September nach.
Die kühle Jahreszeit des Nordost-Monsuns, der Anfang Dezember
beginnt und bis Ende Februar anhält, geht gewöhnlich
mit extremer Trockenheit einher. Mitunter kann das Land aber auch
von starken Stürmen, die in den nördlichen Stromebenen
von leichtem Niederschlag und im Himalaya von starkem Schneefall
begleitet sind, heimgesucht werden. Die heiße Jahreszeit,
die etwa Mitte März beginnt und bis zum Beginn des Südwest-Monsuns
anhält, erreicht im Mai ihren Höhepunkt. In Mittelindien
sind zu dieser Zeit Temperaturen von über 50°C keine
Seltenheit. In der Nähe von Kalkutta beträgt die Jahresdurchschnittstemperatur
etwa 26,1°C und an der Westküste der Halbinsel etwa 27,8°C.
In der Nähe von Madras erreichen die Temperaturen zwischen
24,4 und 33,3°C; im Jahresdurchschnitt etwa 28,9°C.

 
In den Trockengebieten an der pakistanischen Grenze findet sich
eine spärliche Flora, die vorwiegend aus Steppengräsern
besteht. Häufig sind auch Dornsträucher und Arten der
Gattungen Capparis (Kapernstrauch) und Zizyphus (Jujube). In einigen
Gebieten findet sich Bambus; Palmen gehören zu den wenigen
heimischen Baumarten dieser Region. Die feuchtere Ganges-Ebene
ist dagegen Lebensraum zahlreicher Pflanzenarten. Insbesondere
in den südöstlichen Ebenen ist die Vegetation besonders
üppig: Hier finden sich Mangroven und Salbäume.
In den höheren Himalaya-Regionen gedeiht eine vielfältige
Hochgebirgsflora. Die tiefer gelegenen Hänge sind dagegen
dicht bewaldet und erlauben das Wachstum zahlreicher subtropischer
Pflanzen, insbesondere vieler Orchideenarten. Im nordwestlichen
Himalaya dominieren Nadelbäume wie Zedern und Fichten. Im
östlichen Himalaya findet man dagegen eine üppige tropische
und subtropische Vegetation, u.a. Rhododendren. Zu den häufigsten
Baumarten gehören hier Eichen und Magnolien. Die niederschlagsreiche
Malabarküste im Südwesten der indischen Halbinsel und
die Hänge der Westghats sind dicht bewaldet. In dieser Region
gedeihen insbesondere immergrüne Pflanzen, Bambus und wertvolle
Edelholzarten wie etwa Teakholzbäume. In den sumpfigen Tiefländern
und entlang der tiefer gelegenen Hänge der Westghats befinden
sich ausgedehnte Dschungelgebiete. Die Vegetation im Hochland
von Dekkan ist zwar weniger üppig, es finden sich aber auf
der gesamten Halbinsel immer wieder Bambus- und Palmenbestände
sowie Laubwälder.
Fauna
Die Wälder, Ebenen, Hügel und Berge in Indien sind Lebensraum
einer vielfältigen Tierwelt. Das gilt beispielsweise für
Großkatzen wie Tiger, Leoparden, Nebelparder und (im Hochland
von Dekkan) Geparde. Daneben kommen auch Löwen vor, die heute
aber nur noch im Gir National Park in Gujerat anzutreffen sind.
Aufgrund ehrgeiziger nationaler und internationaler Anstrengungen
ist es gelungen, den vom Aussterben bedrohten Tiger zu retten.
Heute ist seine Zahl wieder auf einen Bestand von mehreren tausend
Tieren angewachsen, die in Reservaten wie Ranthambore in Rajasthan
geschützt werden. In den letzten Jahren gerieten die Tiger
aber erneut zunehmend in Bedrängnis.
An den Nordosthängen des Himalaya und in den abgelegenen
Wäldern im Hochland von Dekkan findet man Indische Elefanten.
Heimisch sind in Indien auch Nashörner, Lippenbären,
Wölfe, Schakale, Asiatische Wildhunde, Gaur, Büffel,
Wildschweine, Hirsche, Antilopen und verschiedene Affenarten.
Daneben finden sich im Himalaya und in anderen Gebirgsregionen
Wildziegen- und Wildschafarten sowie Steinböcke und Seraue
(mit den Gämsen verwandt), weitere erwähnenswerte Säugetierarten
sind Zwergwildschweine und Bandikotratten.
In Indien sind zahlreiche Schlangenarten beheimatet; dazu gehören
Kobras, Kettenvipern und Salzwasserschlangen. Unter den ungiftigen
Arten sind insbesondere die Pythons nützlich, da sie schädliche
Nagetiere vertilgen; zur indischen Reptilienfauna gehören
auch Krokodile. Auffallende Vogelarten sind Papageien, Pfauen,
Eisvögel und Reiher. In den Flüssen und Küstengewässern
finden sich reiche Fischgründe mit zahlreichen essbaren Arten.


Der Anteil der Inder an der Erdbevölkerung beträgt etwa
16Prozent. Die Einwohnerzahl liegt bei etwa 913,6Millionen, die
durchschnittliche Bevölkerungsdichte rund 278Personen pro
Quadratkilometer. Obwohl viele Geburten und Todesfälle in
offiziellen Statistiken gar nicht erfasst werden, nimmt man eine
Geburtenrate von 29 pro Tausend an, der eine Sterberate von 9,5
pro Tausend gegenübersteht. Die durchschnittliche Lebenserwartung
liegt bei 61Jahren. Mehr als 70Prozent der Bevölkerung leben
in ländlichen Gebieten. Obwohl sich die Lebensbedingungen
in vielen Gebieten verbessert haben - etwa durch die Bereitstellung
sauberen Trinkwassers - gelten die meisten Menschen weiterhin
als arm. Etwa ein Drittel der Bevölkerung lebt an oder unterhalb
der von den Vereinten Nationen festgesetzten Armutsgrenze.
Die unterschiedlichen Ursprünge der indischen Völker
hinsichtlich ihrer Kultur sind eng mit denen der anderen Völker
des Indischen Subkontinents verknüpft. Dazu gehören
die Einwohner Pakistans, Bangladeshs, Nepals, Bhutans und Sri
Lankas sowie entfernterer Gebiete. Der genaue Ursprung der meisten
indischen Völker ist nicht festzustellen, da immer wieder
verschiedenste Kulturen das Land erobert haben und assimiliert
wurden. Bei den heutigen Indern lassen sich jedoch drei so genannte
Phänotypen - kaukasische, australoide und mongoloide- identifizieren.
Zeitweise haben geographische und umweltbedingte Gründe dazu
geführt, dass sich die aufeinander folgenden Einwanderer
mit der einheimischen Bevölkerung mischten. Dies zeigt sich
auch an der sprachlichen Vielfalt in Indien (siehe unten: Sprache).
Ungefähr sieben Prozent der Gesamtbevölkerung gehören
einer der mehr als 300 ethnischen Minderheiten an. Diese unterscheiden
sich kulturell nicht nur von der Mehrheit der indischen Bevölkerung,
sondern weisen auch untereinander große Unterschiede auf.
Bei den Bergstämmen ganz im Norden findet man Angehörige
des mongolischen Phänotyps, etwa das Volk der Naga. Unter
den Stammesgemeinschaften trifft man auch auf Menschen mit australoiden
Zügen, etwa bei den Santal in Westbengalen.
Zahlreiche Stammesgemeinschaften, die oft in relativ abgelegenen
Gebirgsregionen leben, konnten sich ihre eigene Kultur bewahren.
Heute sind diese Lebensformen allerdings verstärkt durch
Assimilation bedroht, da die wachsende indische Bevölkerung
immer mehr auch in diese isolierten Gebiete vordringt.
Kastensystem
In der indischen Verfassung ist die Beseitigung des jahrhundertealten
Kastensystems vorgesehen, das seit jeher den sozialen Fortschritt
der untersten Gesellschaftsschicht der „Unberührbaren"
verhinderte (Gandhi nannte sie Harijans, „Kinder Gottes",
und heute setzt sich immer mehr der Begriff Dalit durch). Nach
dem Erreichen der Unabhängigkeit wurden beträchtliche
Anstrengungen unternommen, um die Bildungschancen und das Wohl
dieser unterdrückten Gesellschaftsschichten zu fördern.
Dies erfolgte vor allem durch das System der „positiven
Diskriminierung": Dabei sind in Universitäten und berufsbildenden
Einrichtungen bis zu 50Prozent der Plätze Angehörigen
der unteren Kasten vorbehalten. Alte Traditionen lassen sich jedoch
nicht so schnell aufbrechen. Trotz aller staatlichen Programme
und persönlichen Einsatzes einzelner (wie Gandhi und Ambedkar)
ist es nicht gelungen, die gängigen Vorurteile, vor allem
im sozialen Umgang, abzubauen. Immerhin finden sich heute Angehörige
der unteren Kasten in sämtlichen Bereichen des öffentlichen
Lebens - angefangen von renommierten Wissenschaftlern über
Richter bis hin zu Politikern. In den letzten Jahren hat sich
Indien immer mehr zu einer Konsumgesellschaft entwickelt, in welcher
der Status mehr auf materiellem Besitz als auf Familie und Tradition
beruht. Dadurch ging die Bedeutung des Kastenwesens zurück;
insbesondere im städtischen Mittelstand kommt es heute bereits
häufig zur Heirat über die Kastengrenzen hinweg.
In der Politik haben Parteien und Organisationen, die sich an
bestimmten Kastengrenzen orientieren, oft lautstark ihre Rechte
und den Schutz ihrer Interessen gefordert. Politiker und Parteien
versuchen häufig, sich die Stimmen bestimmter Jatis (Unterkasten)
zu sichern. Die Loyalität ist in der Regel jedoch fließend
und basiert meist auf praktischen Erwägungen. Die Fortsetzung
des Systems der positiven Diskriminierung beim Hochschulzugang
hat zu Auseinandersetzungen mit Studenten geführt, nach deren
Ansicht dieses System unerträglich hohe Zugangsvoraussetzungen
für die Angehörigen mancher Kasten und zudem einen Verfall
des Niveaus zur Folge hat.

Die größte Stadt in Indien ist Bombay (12,6Millionen
Einwohner inklusive der Vororte). Zu den weiteren Millionenstädten
gehören: Ahmedabad und Bangalore (zwei wichtige Eisenbahnknotenpunkte),
Kalkutta, Delhi, das für sein Kunstgewerbe berühmte
Hyderabad, die Lederwarenstadt Kanpur, die Hafenstadt Madras sowie
Poona, Nagpur, Lucknow und Jaipur.

In Indien werden mehr als 1600Sprachen oder Dialekte gesprochen,
die zu insgesamt 14Hauptsprachengruppen gehören. In dem Land
gibt es 17Regionalsprachen und mehr als 1000Nebensprachen (siehe
indische Sprachen). In der Verfassung ist das von 30Prozent der
Bevölkerung gesprochene Hindi zur Staatssprache erklärt
worden; für offizielle Zwecke kommt auch das Englische zum
Einsatz. Die offizielle Dominanz des Hindi ist für Bundesstaaten
wie Tamil Nadu im Süden allerdings untragbar, daher wurde
die Durchsetzung dieses Verfassungsartikels vorläufig aufgeschoben.
In der Verfassung werden 17 weitere offizielle Regionalsprachen
anerkannt, von denen Telugu, Bengali, Marathi, Tamil, Urdu und
Gujerati am weitesten verbreitet sind.
Das ebenfalls anerkannte Manipuri des nördlichen Staates
Manipur ist sinotibetischer Herkunft. Neben den offiziell anerkannten
Sprachen werden regional aber auch viele andere, unbedeutendere
verwendet. Die meisten Völker im Norden und Osten sprechen
indoarische Sprachen wie Assami, Panjabi, Urdu, Hindi und Bengali.
Alle diese Sprachen leiten sich vom Sanskrit ab, einer heute toten
Sprache, die nur mehr in heiligen Texten und religiösen Zeremonien
verwendet wird. Die dravidischen Sprachen im Süden, wie Kannada,
Telugu und Malayalam, stammen größtenteils vom Tamilischen
ab, auch wenn das Malayalam eine beträchtliche Zahl von Wörtern
aus dem Sanskrit enthält.
Beim Sanskrit, der Sprache der alten Hindutexte, handelt es sich
um eine indoeuropäische Sprache, die mit dem Griechischen
und dem Lateinischen verwandt ist. In dieser Sprache wurde eine
Vielzahl religiöser und weltlicher Texte verfasst, welche
die Basis der klassischen indischen Literatur bilden (siehe Sanskrit;
Sanskrit-Literatur). Tamil ist ebenfalls eine sehr alte Sprache
mit einer umfangreichen Literatur; im Gegensatz zum Sanskrit wird
es aber auch heute noch gesprochen. Das Tamil verfügt über
eine völlig andere Schrift als das Sanskrit und gehört
zu den zahlreichen, in Südindien gesprochenen dravidischen
Sprachen. Auch in den anderen wichtigen indischen Sprachen, insbesondere
Hindi, Bengali, Urdu, Telugu, Kannada und Malayalam, liegt umfangreiche
und anspruchsvolle Literatur vor.

Zu den wichtigsten religiösen Gruppen (gemäß ihres
Anteils an der Gesamtbevölkerung) gehören Hindus (83Prozent),
Muslime (11Prozent), Christen (2,4Prozent) und Sikhs (1,1Prozent).
Bedeutende religiöse Minderheiten sind Buddhisten, Jaina
und Parsen. Die Entwicklung des religiösen Nationalismus
und Fundamentalismus in Indien während der achtziger und
neunziger Jahre führte in bestimmten Gebieten zur Verschärfung
politischer und sozialer Spannungen, die sich zuweilen - wie bei
den Ausschreitungen 1992 und 1993 im Punjab - gewaltsam entladen.


Seit Beginn der Unabhängigkeit hat sich der Staat insbesondere
auf die Verbesserung des Gesundheitswesens konzentriert. Aber
trotz umfangreicher Maßnahmen im Bereich von Präventivmedizin,
Hygiene und Ernährung ist die Situation für die Armen
immer noch unzureichend; immerhin ist es gelungen, das regelmäßige
Auftreten von Cholera-, Durchfall- und Elefantiasis-Epidemien
zu stoppen. Ein Großteil der Bevölkerung leidet aber
immer noch an Unterernährung. Fortschritte wurden bei der
Bekämpfung von Malaria, Pest und Tuberkulose erzielt. Die
durchschnittliche Lebenserwartung liegt bei etwa 61Jahren im Vergleich
zu 32Jahren 1941. Die Kindersterblichkeitsrate fiel seit 1965
von 151 auf 91 pro Tausend Lebendgeburten.
Neben Ärzten gibt es Heilkundige, welche die traditionelle
Heilmethode des Ayurveda praktizierten, Kräuterheilkundige
sowie nicht zugelassene Ärzte. Im ganzen Land stehen etwa
650000Krankenhausbetten zur Verfügung. Ein Großteil
der ländlichen Bevölkerung hat keinen direkten Zugang
zum professionellen Gesundheitswesen.
Sozialfürsorgeprogramme kamen insbesondere bei der Familienplanung
und verschiedenen Soforthilfemaßnahmen zum Einsatz. Die
Löhne werden vom Staat festgelegt.

Indien ist ein laizistischer Staat (Kirche und Staat sind getrennt),
in dem traditionell zahlreiche Religionen und religiöse Glaubensgemeinschaften
aufeinander trafen und gegründet wurden. Die Mehrheit der
heutigen Inder sind Hindus, was sich in vielen Aspekten ihrer
gemeinsamen Kultur im ganzen Land niederschlägt. Der Hinduismus
selbst hat im Lauf der Jahrhunderte eine Vielzahl unterschiedlicher
Philosophien und religiöser Ideen aufgenommen und weiterentwickelt;
das reicht vom philosophischen Advaita von Shankara bis zur Bhakti-Bewegung.
Die
Koexistenz größerer religiöser Minderheiten mit
der Mehrheit der Hindus verlief keineswegs immer friedlich; die
Spannungen zwischen Hindus und Muslimen sowie zwischen Hindus
und Sikhs (die oft auch durch nichtreligiöse Gründe
angefacht wurden) haben in der Vergangenheit zu vielen Todesopfern
geführt. Die Ramajanmabhoomi-Bewegung, welche die Forderung
stellte, einen Hindu-Tempel am angeblichen Geburtsort von Rama
in Ayodhya zu errichten, führte 1992 zur Zerstörung
der Babri Masjid durch fanatisierte Gläubige und wurde offenbar
von weiten Bevölkerungskreisen unterstützt (die Babri
Masjid ist eine Moschee, die am Ort eines früher zerstörten
Tempels errichtet worden sein soll).
Diese Entwicklungen werden den indischen Säkularismus in
Zukunft auf eine harte Probe stellen. Man könnte argumentieren,
dass der moderne „Hindu-Fundamentalismus" (was eigentlich
ein Widerspruch ist, da der Hinduismus kein fest definiertes Fundament
besitzt) einen Versuch darstellt, die verschiedenen reichen Traditionen
zu einer einzigen Nationalkultur zusammenzuschweißen. Solche
Gedanken werden durch den rasch steigenden Einfluss des Fernsehens,
in letzter Zeit auch des Satellitenfernsehens, und seiner eindringlichen
Botschaften verbreitet. Dieselben Medien haben aber auch zur Durchsetzung
anderer Werte beigetragen, die den Einfluss der Religion eingeschränkt
haben: die Werte einer Konsumgesellschaft westlichen Zuschnitts.

Das alte Indien verfügte bereits über ein hoch entwickeltes
Bildungssystem. Die Universitäten zogen zahlreiche Studenten
aus anderen Teilen Asiens an, insbesondere aus China. Diese Studenten
wollten sich in einigen der ältesten Universitäten der
Welt mit den buddhistischen Lehren vertraut machen. Die berühmte
Universität Nalanda wurde im 6.Jahrhundert vor Christus gegründet.
Indien weitete seinen Einfluss auf dem Bildungssektor auch dadurch
aus, dass Absolventen als Dozenten in andere asiatische Länder
geschickt wurden. Ab dem 13.Jahrhundert verfiel das indische Bildungssystem
jedoch zunächst unter der Herrschaft der Muslime sowie später
unter der der Briten, und der Einsatz neuerer Lehrmethoden wurde
eingeschränkt.
Im 20.Jahrhundert erhielten Gopal Krishna Gokhale, Mohandas Gandhi
und Rabindranath Tagore internationale Preise für die Beiträge,
die sie zur Entwicklung des Bildungssystems ihres Landes leisteten.
Gokhale war einer der ersten nationalistischen Führer; 1911
erarbeitete er eine Gesetzesvorlage, die Schulpflicht und ein
kostenloses Grundschulwesen vorsah. Der von Gokhale beeinflusste
Gandhi initiierte Alphabetisierungskampagnen und kommunale Wohlfahrtsprogramme.
1901 gründete Tagore, einer der größten Dichter
des modernen Indien, im etwa 160Kilometer von Kalkutta entfernten
Santiniketan eine experimentelle Schule, die sich an die alten
indischen Tapovana („Walderemitage") anlehnte. Ziel
der Schule war es, die jeweils besten Elemente der westlichen
und der indischen Kultur miteinander zu verknüpfen; 1921
wurde die Schule in die Visva-Bharati University umgewandelt und
zieht seitdem Studenten aus aller Welt an.
Seit
dem Beginn der Unabhängigkeit von Großbritannien 1947
hat Indien versucht, ein modernes, umfassendes Schulsystem zu
entwickeln. Die in den Berichten der allindischen Kommission von
1953 und 1964 vertretenen Reformansätze haben diese Entwicklung
vorangetrieben. Die Ausbildung der gewaltigen Zahl indischer Jugendlicher
ist angesichts der komplexen sozialen und religiösen Verhältnisse
jedoch nicht ganz einfach. Gelder, die zum Ausbau des Bildungswesens
gedacht waren, mussten zur Bekämpfung von Armut, Lebensmittelknappheit
und Überbevölkerung verwendet werden. Die Überbleibsel
des Kastensystems, unzureichende Ausbildungsplätze und religiöse
Differenzen haben noch weiter zu den Problemen der Bildungsreform
beigetragen. Dennoch wurden grundlegende strukturelle Änderungen
geplant und zum größten Teil auch durchgesetzt; die
Zahl der Schulen und Schüler ist seit der Unabhängigkeit
jedenfalls gewaltig angestiegen.
Das Schulsystem der 25Bundesstaaten steht unter direkter Kontrolle
der einzelstaatlichen Regierungen; das Bildungsministerium des
Bundes koordiniert die Systeme der Einzelstaaten, regelt die Bildungsangelegenheiten
in den sieben zentral verwalteten Unionsterritorien, stellt finanzielle
Unterstützung für die Hochschulen zur Verfügung
und übernimmt verschiedene andere Aufgaben. Der Grundschulbesuch
ist kostenfrei; es besteht keine Schulpflicht. In den siebziger
Jahren bildete sich folgendes Modell heraus: acht Jahre Grund-
und Mittelschule, drei Jahre weiterführende bzw. berufsbezogene
Schule (der Schulabschluss beinhaltet auch einen beruflichen Abschluss),
an die sich dann eine dreijährige Universitätsausbildung
anschließen kann. Damals wie heute kommt aber nur eine Minderheit
über die Grundschule hinaus. Zu Beginn der achtziger Jahre
wurde ein leicht abgeändertes Modell eingeführt, das
eine zehnjährige Schulzeit (Grundstufe, Mittelstufe und Oberstufe)
vorsah, an die sich eine zweijährige höhere Ausbildung
und eine dreijährige Universitätsausbildung anschloss.
Daneben gibt es ein landesweites Alphabetisierungsprogramm für
Erwachsene. Laut Volkszählung 1991 betrug die Analphabetenrate
etwa 48Prozent im Vergleich zu 53Prozent zehn Jahre zuvor. Die
Analphabetismusrate schwankt von Bundesstaat zu Bundesstaat beträchtlich.
Im südindischen Kerala gibt es praktisch keinen Analphabetismus
mehr, was vermutlich auf die guten Bildungschancen für Frauen
und ihren relativ hohen gesellschaftlichen Status zurückzuführen
ist.
In Indien gibt es etwa 150Universitäten, zehn nationale Bildungsinstitutionen
und 34Lehreinrichtungen mit Universitätsstatus. Daneben standen
7000 technische und naturwissenschaftliche Hochschulen sowie Kunstakademien
zur Verfügung. An allen Hochschulen und Universitäten
sind etwa neun Millionen Studierende eingeschrieben, rund die
Hälfte von ihnen an Universitäten. Zu den größten
Bildungseinrichtungen gehören die Universität Agra (gegründet
1927), die Universität Bihara (1952), die Universität
Bombay (1857), die Universität Kalkutta (1857), die Universität
Delhi (1922), die Universität Gauhati (1948), die Universität
Gujarat (1950 in Ahmadabad), die Universität Kerala (1937
in Trivandrum), die Universität Madras (1857), die Universität
Mysore (1916), die Universität Poona (1949) und die Universität
Rajasthan (1947 in Jaipur). Zu den renommiertesten Lehr- und Forschungseinrichtungen
gehören das Indian Institute of Science in Bangalore und
das Tata Institute of Fundamental Research in Bombay.

In Indien gibt es mehr als 60000Bibliotheken; dazu gehören
mehr als 1000Spezialbibliotheken, die verschiedenen Regierungsbehörden
angeschlossen sind. Die Nationalbibliothek in Kalkutta gehört
zu den drei Bibliotheken, die Pflichtexemplare von sämtlichen
in Indien veröffentlichten Büchern und Zeitschriften
erhalten. Unter den mehreren hundert öffentlichen Bibliotheken
ist die Bibliothek in Delhi besonders hervorzuheben.
Es
gibt mehr als 350Museen in Indien, darunter auch solche mit bedeutenden
historischen und archäologischen Sammlungen. Dazu gehören
das Government Museum und die National Art Gallery in Madras;
das National Museum in Neu-Delhi; das Sarnath Museum in Varanasi
und das Indische Museum in Kalkutta. In Baroda, Madras, Kozhikode
und Neu-Delhi befinden sich zudem Museen mit hervorragenden Sammlungen
mittelalterlicher und moderner Kunst.
Kunst und Musik
In den frühen klassischen Gemälden und Skulpturen lassen
sich Einflüsse des Hinduismus, Buddhismus und Jainismus und
deren gegenseitige Beeinflussung feststellen. Die Kunst von Madhura,
Gandhara (mit der Mischung hellenistischer und indischer Elemente),
die Vollkommenheit der Gupta-Kunst, die Fresken von Ajanta, die
Felsreliefs bei Mamallapuram und die Nataraj bei Chidambaram sind
hervorragende Kunstwerke aus der indischen Frühzeit. Die
vermutlich älteste noch erhaltene theoretische Abhandlung
über Drama, Musik und Tanz, die so genannte Natya Shastra
von Bharata (geschrieben etwa 300 v.Chr.), bildete die Grundlage
einer hoch entwickelten Tradition in den darstellenden Künsten
(siehe indisch-klassischer Tanz; indisches Theater).
Am Ende der Regierungszeit von Harshavardhana im 7.Jahrhundert
kam es in Nordindien zu einem gewissen Verfall der klassischen
indischen Kunst und Kultur. Es begannen sich neue soziopolitische
Formen zu entwickeln, während im Süden unter dem Pallava-Reich
und später dem Chola-Reich Kunst und Architektur eine Blüte
erlebten. In dieser Zeit der Unsicherheit und des Wandels fand
in Nordindien eine tief greifende Erschütterung der kulturellen
Entwicklung statt. Ausgelöst wurde dieser Trend im 11. und
12.Jahrhundert durch mehrere Eroberungswellen aus Zentralasien,
die mit dem Islam einen völlig anderen Glauben mit sich brachten.
Einige der ältesten Bildungszentren, wie die hervorragende
buddhistische Universität in Nalanda, wurden im 11.Jahrhundert
von den Türken vollkommen zerstört.
Nach mehreren Jahrhunderten voller Krieg, Zerrissenheit und Unterdrückung
unter türkischen und mongolischen Herrschern hatte schließlich
Mitte des 16.Jahrhunderts die Mogul-Dynastie (gegründet von
Babur, einem Nachfahren des Mongolen Timur-i Läng) ganz Nordindien
erobert. Der Islam mit seiner linearen, westlichen Kosmogonie
(Lehre von der Entstehung der Welt) und seiner Ablehnung jeder
Form der Idolatrie (Bilderverehrung) unterschied sich grundlegend
vom Hinduismus und anderen östlichen Religionen. Einige der
früheren Eroberer plünderten Tempel und Heiligtümer,
wie etwa den Jagannatha-Tempel in Puri, und zeigten kaum Respekt
für die alte Kultur. Andere interessierten sich dagegen mit
der Zeit für das Sanskrit und dessen zentrale Schriften,
wie die mathematische Abhandlung von Bhaskara, der Lilavati, die
ins Persische übersetzt wurde und während der Mogul-Zeit
äußerst populär war.
Unter den großen Mogul-Herrschern wie Akbar erlebte das
Land eine neue Blüte der Kunst; mit frischen Impulsen aus
Persien entwickelte sich in Nordindien ein eigener Stil in Kunst,
Musik und Architektur. Während der Mogul-Zeit entstanden
einige der eindrucksvollsten Bauwerke in Indien; als bestes Beispiel
gilt das weltberühmte Taj Mahal in Agra. Hervorragende Werke
entstanden aber auch auf dem Gebiet der Buchillustration, der
Miniaturmalerei und der angewandten Kunst. Daneben entwickelte
sich im Norden die hindustanische Musik. Im Süden entstand
ein eigener Musikstil, die so genannte karnatische Musik. Beide
Formen dieser klassischen Musik haben herausragende Komponisten
und Musiker hervorgebracht; dazu gehören Tansen, Tyagaraja
und in moderner Zeit Allauddin Khan, Ravi Shankar, M.S.Subbulakshmi
und viele andere. Daneben bestand eine ausgeprägte regionale
Volkskultur in den darstellenden Künsten.
Während des britischen Kolonialismus wurde die kulturelle
Kreativität zwar gebremst, doch interessierten sich zur gleichen
Zeit allmählich eine ganze Reihe von Einzelpersonen wie William
Carey und Max Müller für die antike und mittelalterliche
indische Kultur, und mit ihren Übersetzungen und Kommentaren
boten sie westlichen Lesern Zugang zu den zentralen Werken. Einige
Kunstformen wie der klassische indische Tanz fielen dagegen aufgrund
mangelnder Förderung dem Niedergang anheim oder galten im
Rahmen des viktorianischen Moralsystems als unschicklich. Das
steigende Nationalbewusstsein ging mit einer Wiederbelebung verschiedener
Aspekte der indischen Philosophie und Kultur einher. Im 20.Jahrhundert
wurden nicht nur Versuche unternommen, sterbende Kunstformen wie
das Kathakali wieder zu beleben, sondern auch frühere Formen
wieder aufleben zu lassen. Auf dem Gebiet des Tanzes beispielsweise
hat Chandralekha über die Frühformen des Bharatanatyam
geforscht, und der erotische Stil des Odissi, dargestellt in vielen
alten Skulpturen, ist inzwischen allgemein bekannt. Siehe indische
Kunst und Architektur; indische Musik.
Medien
Die Armut weiter Teile der indischen Bevölkerung hat die
Entwicklung eines nationalen Telefonsystems verzögert. Der
staatliche Rundfunksender All India Radio sendet seine Programme
in 24Sprachen und zahlreichen Dialekten. Seit Ende der achtziger
Jahre werden die staatlichen Fernsehprogramme durch zahlreiche
Satellitenprogramme ergänzt, über die viele Inder zum
ersten Mal mit westlichen Fernsehprogrammen konfrontiert wurden.
Die Presse spielt immer noch eine große Rolle. Es gibt mehr
als 27000Zeitungen und Zeitschriften mit einer Gesamtauflage von
mehr als 58Millionen Exemplaren. Die 2500Tageszeitungen haben
eine Gesamtauflage von mehr als 17Millionen Exemplaren. Die Presse
unterliegt keiner Zensur und ist der Regierung und einzelnen Politikern
gegenüber oft kritisch eingestellt. Zu den einflussreichsten
englischsprachigen Tageszeitungen gehören Times of India
und Indian Express.


Die Republik Indien wird gemäß der Bestimmungen der
1949 angenommenen und seither häufig überarbeiteten
Verfassung regiert. Die Verfassung enthält zahlreiche Merkmale
der konstitutionellen Systeme westlicher Demokratien.
Gemäß der Verfassung handelt es sich bei Indien um
eine souveräne, demokratische Republik innerhalb des Commonwealth.
Das Land weist eine bundesstaatliche Struktur auf; die Unionsterritorien
werden zentral verwaltet. Gegenwärtig gibt es 25Bundesstaaten
und sieben Unionsterritorien.
Exekutive
Träger der Exekutive und Staatsoberhaupt ist der Präsident.
Die Rolle des Präsidenten innerhalb der Regierung beschränkt
sich jedoch größtenteils auf zeremonielle Aufgaben;
die tatsächliche Macht liegt bei einem dem Parlament verantwortlichen
Ministerrat. Das Parlament besteht aus dem Oberhaus (Rajya Sabha)
und dem Unterhaus (Lok Sabha). Der Präsident wird von einem
Gremium gewählt, das sich aus Abgeordneten des Bundesparlaments
und der Parlamente der Einzelstaaten zusammensetzt. Seine Amtszeit
beträgt fünf Jahre; er kann beliebig oft wieder gewählt
werden. Die Abstimmung im Wahlmännergremium ist äußerst
kompliziert. Dem Ministerrat bzw. Kabinett steht der Premierminister
vor, der formal vom Präsidenten ernannt wird. Jeder Minister
ist für eine Verwaltungsabteilung der Zentralregierung verantwortlich.
In vielerlei Hinsicht ist das indische Kabinettsystem mit dem
britischen identisch.
Legislative
Gemäß der Verfassung liegt die Legislative beim Parlament,
das aus zwei Kammern besteht: der Lok Sabha und der Rajya Sabha.
Die Lok Sabha setzt sich aus 543 in allgemeinen und direkten Wahlen
gewählten Mitgliedern zusammen, die um zwei vom Präsidenten
ernannte Vertreter der angloindischen Minderheit ergänzt
werden. Bestimmten Kasten und Stämmen sind jeweils 70 bzw.
41Sitze in der Lok Sabha vorbehalten. Die Amtszeit der Mitglieder
der Lok Sabha umfasst in der Regel eine Legislaturperiode von
fünf Jahren. Die Kammer kann jedoch nach dem Scheitern wichtiger
Gesetzesvorlagen auf Antrag der Exekutive vorzeitig aufgelöst
werden. Die Rajya Sabha besteht aus bis zu 245Mitgliedern. Bis
auf zwölf vom Präsidenten ernannte Mitglieder werden
sämtliche anderen von den Abgeordneten der Parlamente der
Einzelstaaten gewählt. Bei der Rajya Sabha handelt es sich
um eine permanente Einrichtung; die Amtszeit jeweils eines Drittels
der Mitglieder endet nach zwei Jahren.
Die Regierungsform der Einzelstaaten entspricht in etwa derjenigen
der Zentralregierung. Das Oberhaupt eines Staates ist der vom
indischen Staatspräsidenten auf fünf Jahre ernannte
Gouverneur. In den Staaten Bihar, Jammu and Kashmir, Karnataka,
Maharashtra und Uttar Pradesh werden aus zwei Kammern bestehende
gesetzgebende Versammlungen und Räte gewählt; in den
übrigen Staaten bestehen die gesetzgebenden Versammlungen
aus einer Kammer. Von den insgesamt 4061Sitzen in den gesetzgebenden
Versammlungen sind 557 bestimmten Kasten und 527 bestimmten Stämmen
vorbehalten.
Verantwortung für die Legislative haben in Indien drei Gruppen
bzw. Listen: Liste1 umfasst 97Bereiche (z.B. Verteidigung, Außenpolitik,
Kommunikation, Währung, Bankwesen und Zölle), die unter
der ausschließlichen Jurisdiktion des Bundesparlaments stehen.
Liste2 umfasst 66Bereiche (etwa Polizei und Öffentliche Ordnung,
Bildung, Gesundheit, Landwirtschaft und Kommunalverwaltung), die
ausschließlich in die Zuständigkeit der einzelstaatlichen
Parlamente fallen. Die 47Bereiche der Liste3 (zB. Wirtschafts-
und Sozialplanung, Gewerkschaften und Preiskontrollen) fallen
sowohl in die Zuständigkeit des Bundes als auch der Einzelstaaten.
Judikative
Die judikative Gewalt wird in Indien über ein System nationaler
Gerichte ausgeübt, die auf der Basis der Bundes- und Landesgesetze
Recht sprechen. Zwar werden sämtliche Richter von der Exekutive
ernannt, jedoch sind einige Vorkehrungen getroffen worden, um
ihre Unabhängigkeit sicherzustellen. Dazu gehört insbesondere
die Vorschrift, dass ein Richter nur mit Zweidrittelmehrheit des
Bundesparlaments abgewählt werden kann. Das höchste
Gericht ist der aus bis zu 17Mitgliedern bestehende Oberste Gerichtshof.
Dem untergeordnet sind die Ober- und Untergerichte in den jeweiligen
Einzelstaaten.
Kommunalverwaltung
Städtische Bezirke unterliegen der Zuständigkeit zahlreicher
Verwaltungsbehörden, die sich um Straßenbau, Wasserversorgung,
Abwassersystem und sanitäre Einrichtungen, Impfprogramme
und das Schulwesen kümmern. Die Beamten werden direkt gewählt
und über die Erhebung von Vermögenssteuern, Kraftfahrzeugsteuern
und andere Abgaben finanziert.
In ländlichen Bezirken existiert der panchayati raj; darunter
versteht man ein traditionelles, dreischichtiges Rätesystem,
das auf Dorf-, Block- und Bezirksebene tätig ist. Die direkt
vom und aus dem Volk gewählten Panchayats sind verantwortlich
für Gesundheitsfürsorge, Unterstützung von Müttern
und Kindern, landwirtschaftliche Produktion, Industrialisierung
ländlicher Gebiete, Weideland, Gemeindestraßen sowie
Wassertanks und Brunnen.
Politik
Der Indische Nationalkongress, gegründet 1885, führte
Indien im Kampf um die Unabhängigkeit und stellte in verschiedenen
Ausprägungen sämtliche Premierminister des Landes bis
auf die Zeiträume zwischen 1977 und 1980 sowie 1989 und 1991.
Im Jahr 1969 verließ eine Gruppe von Kongressmitgliedern
die Partei und bildete die kleinere Indische Nationalkongress-Organisation
(U). Eine weitere Partei mit landesweitem Einfluss, insbesondere
aber in Westbengalen und in Kerala, ist die Kommunistische Partei
Indiens (CPI). Die CPI wurde 1925 gegründet; 1964 kam es
zur Spaltung und Gründung der rivalisierenden Marxistischen
Kommunistischen Partei Indiens (CPI-M). Anfang 1977 vereinigte
sich die Kongresspartei (U) mit drei anderen Parteien (Bharatiya
Jana Sangh, Bharatiya Lok Dal und der Sozialistischen Partei)
zur Janatapartei (Volkspartei), die bei den Lok-Sabha-Wahlen im
März 1977 etwa die Hälfte aller Sitze erringen konnte.
Im Mai erreichte die Janatapartei nach Verbindung mit der Partei
„Kongress für Demokratie" eine klare Mehrheit.
1978 spaltete sich die Kongresspartei erneut, als Indira Gandhi
den Indischen Nationalkongress-Indira (I) gründete, der 1981
vom Obersten Gericht offiziell als Kongresspartei anerkannt wurde.
Die Kongresspartei (I) konnte die Parlamentswahlen 1980 und 1984
gewinnen, verlor ihre Mehrheit aber 1989. Zu den wichtigsten Herausforderern
bei den Wahlen von 1989 gehörten die Janata Dal Partei und
die Bharatiya Janatapartei (BJP), eine rechtsgerichtete Gruppierung
nationalistischer Hindus, die von Dissidenten der Janata Dal Partei
gegründet wurde. Bei den Parlamentswahlen vom Mai 1996 wurde
die BJP stärkste Partei.
Umweltschutz
In Indien gibt es eine starke Natur- und Umweltschutzbewegung,
die sich mit beträchtlichem Erfolg gegen die Zerstörung
der Lebensräume von Tieren und Pflanzen durch die wachsende
Industrialisierung und das rasche Bevölkerungswachstum einsetzt.
Zu den erfolgreichen Umweltschützern gehören die Tree
Huggers, die gegen die Abholzung der Baumbestände im Himalaya
kämpfen. Zudem haben sie das Silent Valley Project in Kerala
gestoppt - ein gewaltiges Wasserkraftwerksprojekt, das den Lebensraum
einzigartiger Arten zerstört hätte - und erst kürzlich
nach einer langen und erbitterten Auseinandersetzung das große
Narmada Dam Project in Madhya Pradesh und Gujerat zu Fall gebracht.
An einer anderen Front ist es Umweltschutzgruppen gelungen, das
Tehri Project zu verzögern, bei dem der Bau von Dämmen
in einer äußerst erdbebengefährdeten Zone im Himalaya
geplant ist.
Verteidigung
Sämtliche Abteilungen der indischen Streitkräfte bestehen
ausschließlich aus Freiwilligen. Die Stärke des Heeres
beträgt etwa 1,3Millionen Soldaten. Die Marine umfasst 55000Mann,
die Luftwaffe 110000Mann (mehr als 700Kampfflugzeuge). Indien
besitzt eine der größten Streitmächte der Erde.
Das indische Militär mischt sich traditionell nicht in die
Innenpolitik ein; es gab nie einen Staatsstreich.

Im wirtschaftlichen System Indiens fällt den bundes- und
einzelstaatlichen Behörden eine zentrale Rolle bei der Lenkung
und Planung zu. Der Staat ist auch Eigentümer öffentlicher
Unternehmen. Seit den fünfziger Jahren spielt der Staat eine
führende Rolle im Wirtschaftsleben; zu dieser Zeit versuchte
die erste unabhängige Regierung unter Jawaharlal Nehru, Nationalismus
und Sozialismus miteinander zu verbinden. Ziel war es, die wirtschaftliche
Entwicklung voranzutreiben, um die Bedürfnisse der rasch
wachsenden Bevölkerung zu decken. 1951 wurde der erste wirtschaftliche
Fünfjahresplan verabschiedet. Während der folgenden
Jahrzehnte verstaatlichte man einige Schlüsselindustrien
und tätigte enorme Investitionen; der private Sektor unterlag
weit reichenden Kontrollen. Es wurden Zölle eingeführt
und andere Maßnahmen zum Schutz der heimischen Produktion
ergriffen; daneben initiierte man verschiedene Agrarreformen.
Die Ergebnisse waren größtenteils positiv, insbesondere
im Vergleich zu vielen anderen Entwicklungsländern. Abgesehen
von extremen Dürrejahren wie 1979 und 1987 war ein beständiges
Wirtschaftswachstum zu verzeichnen; zwischen 1965 und 1980 lag
das Wachstum real (im Verhältnis zum Bevölkerungswachstum)
bei jährlich 3,5Prozent, während der achtziger Jahre
sogar bei mehr als fünf Prozent. Inflationsrate und Staatsverschuldung
konnten im Allgemeinen auf einem niedrigen Niveau gehalten werden.
Die Agrarproduktion stieg ebenfalls beträchtlich an, so dass
die Gefahr einer größeren Hungerkatastrophe nunmehr
gebannt ist. Die Basis eines modernen Industriestaates ist gelegt;
Indien ist heute der neuntgrößte Stahlproduzent der
Welt. Die Wachstumsraten waren aber immer noch zu niedrig, um
sich spürbar auf das Einkommen der Bevölkerungsmehrheit
auszuwirken. Mehr als 60Prozent der Kinder unter fünf Jahren
waren unterernährt; sauberes Wasser und sanitäre Einrichtungen
stehen nur einer Minderheit der Bevölkerung zur Verfügung.
1991 wurde P.V.Narasimha Rao Premierminister und leitete einen
tief greifenden Wandel in der Wirtschaftspolitik ein. Zahlreiche
Kontrollen über den privaten Sektor wurden aufgehoben und
das staatliche Monopol in bestimmten Bereichen gelockert. Die
Wirtschaft wurde durch Zollsenkungen und die Anwerbung ausländischer
Investoren geöffnet. Diese Änderungen erfolgten teilweise
im Hinblick auf die Erzielung höherer Wachstumsraten. Gleichzeitig
war die Regierung jedoch gezwungen, die öffentlichen Ausgaben
zu kürzen, die Inflation zu verringern, die Staatsschulden
zurückzuzahlen und die Zahlungsbilanz auszugleichen - all
diese Probleme waren aufgrund des Golfkrieges und der starken
Kreditaufnahme Ende der achtziger Jahre immer akuter geworden.
Von 1991 bis 1992 fiel das Wirtschaftswachstum auf 1,1Prozent;
1994 war es wieder auf über 5,3Prozent angestiegen.
Entsprechend dem Wandel auf Bundesebene wurden auch auf einzelstaatlicher
Ebene Änderungen vorgenommen. Die Bundesstaaten haben einen
beträchtlichen Einfluss auf die Innenpolitik und interpretieren
die Bundespolitik auf unterschiedliche Weise. In einigen Staaten
wie Westbengalen hat der Staat einen weit größeren
Einfluss auf die Wirtschaft als in anderen Bundesstaaten. In Maharashtra
dagegen ist die Wirtschaft traditionell marktorientiert. Seit
1991 haben jedoch fast sämtliche Staaten den Weg für
ausländisches Kapital frei gemacht, die Kontrolle des privaten
Sektors gelockert und erste Privatisierungen staatlicher Unternehmen
eingeleitet.
Landwirtschaft
Mehr als zwei Drittel der indischen Bevölkerung leben vom
Landbau. Die Landwirtschaft trägt etwa 35Prozent zum Bruttosozialprodukt
bei. Die meisten Höfe sind sehr klein; im Landesdurchschnitt
beträgt die Größe 2,6Hektar. Ein Drittel der Höfe
gilt als zu klein, um eine Familie zu ernähren. Gemessen
an der Anbaufläche ist Reis das wichtigste Produkt; Reis
ist auch das Hauptnahrungsmittel weiter Kreise der indischen Bevölkerung.
Neben Reis wird vor allem Weizen angebaut; Indien gehört
aber auch zu den weltgrößten Produzenten von Zuckerrohr,
Tee, Baumwolle und Jute. Zu den weiteren wichtigen Anbauprodukten
gehörten Kaffee, Gemüse, Melonen, Sorghum, Hirse, Mais,
Gerste, Kichererbsen, Bananen, Mangos, Gummi, Leinsamen, Erdnüsse
und verschiedene Gewürze.
Die Viehzucht, insbesondere von Büffeln, Pferden und Eseln,
ist für die Landwirtschaft von großer Bedeutung. Büffel,
Pferde und Esel werden insbesondere als Lasttiere eingesetzt.
Vor allem in Nordindien wird die religiöse Hinduvorschrift
des Vegetarismus beachtet. Die knappen Weideflächen und Wasservorräte
haben dazu geführt, dass indisches Vieh meist schlecht ernährt
ist. Die 72Millionen Büffel des Landes werden vor allem in
den Deltaregionen gezüchtet. In den Trockengebieten des Punjab
und Rajasthans gehören Kamele (1,4Millionen) zu den wichtigsten
Lasttieren. Schafe (52Millionen) und Ziegen (105Millionen) werden
hauptsächlich wegen der Wolle gezüchtet.
Obwohl in der Landwirtschaft größtenteils immer noch
auf traditionelle Methoden zurückgegriffen wird, konnte man
seit der Unabhängigkeit einen Trend zum Einsatz von Agrartechnologien
feststellen. Das staatlich finanzierte System der Bewässerungskanäle
wurde erheblich erweitert; zudem wurden die von Brunnen bewässerten
Gebiete stark vergrößert. Etwa 45Prozent der landwirtschaftlich
nutzbaren Fläche werden künstlich bewässert. Der
Bedarf an chemischen Düngemitteln und ertragreichem Saatgut
ist insbesondere in der Folge der groß angelegten „Grünen
Revolution" der sechziger und Anfang der siebziger Jahre
beträchtlich gestiegen. Profitiert haben davon vor allem
die reicheren Bauern in den Weizenanbaugebieten wie in Uttar Pradesh
und im Punjab.
Forstwirtschaft
und Fischerei
Indien ist zu etwa 23Prozent bewaldet. Die Forstwirtschaft ist
jedoch nicht besonders entwickelt und beschränkt sich größtenteils
auf die nördlichen Hochländer, Assam und die an den
Himalaya grenzenden Gebiete. Die Wälder werden jedoch zur
Gewinnung von Brennholz und Holzkohle - die für die meisten
Inder wichtigsten Energiequellen - sowie zur Ernte wertvoller
Früchte, Nüsse, Fasern, Öle, Gummi und Harze genutzt.
Obwohl der Fischfang größtenteils kommerziell nicht
entwickelt ist, spielt er regional, etwa im Ganges-Delta in Bengalen
und an der Südwestküste, eine wichtige Rolle. In den
letzten Jahren hat der Staat die Entwicklung der Hochseefischerei
gefördert, indem Fischfabriken gebaut und eine hochseetüchtige
Fischereiflotte unterstützt wurden. Große Fangmengen
werden vor allem bei Sardinen, Garnelen, Makrelen und Anchovis
erzielt. Zu den wichtigsten Fischereistaaten gehören Kerala,
Tamil Nadu und Maharashtra; sie sind allein für etwa die
Hälfte der nationalen Fangmenge verantwortlich. Mittlerweile
hat sich in einigen Regionen die Überfischung zu einem Problem
entwickelt.
Bergbau
Indien gehört zu den weltweit führenden Produzenten
von Eisenerz, Kohle und Bauxit; daneben werden beträchtliche
Mengen an Mangan, Glimmer, Ilmenit, Kupfer, Erdöl, Asbest,
Chrom, Graphit, Phosphat, Zink, Gold und Silber gefördert.
Diese vielfältigen Bodenschätze bildeten die Grundlage
für die wirtschaftliche Entwicklung Indiens nach der Unabhängigkeit:
den Aufbau eines diversifizierten Produktionssektors. Durch die
Verstaatlichungspolitik in den fünfziger Jahren spielte der
Staat eine beherrschende Rolle auf diesem Sektor. Zu den wichtigsten
Bodenschätzen gehören Eisen-, Kupfer-, Mangan- und Zinkerz
sowie Kohle, Bauxit, Chromit und Gold. Die Ölförderung
konzentriert sich auf die Bundesstaaten Gujerat und Assam sowie
auf Offshore-Vorkommen im Golf von Cambay. Die Fördermenge
entspricht etwa 60Prozent des indischen Erdölbedarfs. Daneben
wird Erdgas gefördert.
Industrie
Indien verfügt über einen diversifizierten produzierenden
Sektor, der etwa ein Viertel zum Bruttoinlandsprodukt beiträgt.
Hinsichtlich der Produktionsmengen dominiert der moderne Sektor
mit einigen Großkonzernen, insbesondere in der Schwerindustrie.
Beschäftigungspolitisch spielen dagegen die kleineren, oft
in Familienbesitz befindlichen Handwerksbetriebe eine größere
Rolle. Die älteste und immer noch wichtigste Branche ist
die Textilindustrie (hauptsächlich Baumwollstoffe). In den
meisten Städten gibt es mindestens eine Baumwollfabrik. Die
Eisen- und Stahlindustrie hat in den fünfziger Jahren einen
gewaltigen Aufschwung erlebt. Zu den weiteren wichtigen Branchen
gehört die Verarbeitung von Tee, Getreide, Ölsamen,
Zucker, Tabak und anderen landwirtschaftlichen Erzeugnissen. Daneben
spielen das Druck- und Verlagswesen, die petrochemische Industrie,
die Elektro- und Elektronikindustrie sowie die Herstellung von
Kraftfahrzeugen, Papier, Schuhen, chemischen Stoffen, Mauer- und
Dachziegeln, Leder- und Metallwaren sowie Eisenbahnzulieferteilen
eine große Rolle. In den letzten Jahren hat auch die Computerindustrie,
insbesondere der Softwarebereich, einen gewaltigen Aufschwung
erlebt. Die südindische Stadt Bangalore gilt als das „Silicon
Valley" Indiens.
Energie
Etwa 71Prozent des indischen Energiebedarfs werden über Wärmekraftwerke
unter Einsatz von Kohle oder Erdöl gedeckt. 27Prozent werden
in Wasserkraftwerken und weitere zwei Prozent in Kernkraftwerken
wie in Kota oder in der Nähe von Bombay erzeugt. Obwohl die
Kapazitäten ständig erweitert werden, können sie
nicht mit dem zunehmenden Bedarf mithalten; daher kommt es häufig
zur Energieknappheit, unter der insbesondere das produzierende
Gewerbe zu leiden hat.
Währung
und Bankwesen
Die Währungseinheit in Indien ist die Rupie zu 100Paise.
Die 1934 gegründete und 1949 verstaatlichte Reserve Bank
of India wirkt als Zentralbank und zentrale Notenbank. Durch eine
Serie von Verstaatlichungen gelangte die Mehrzahl der kommerziellen
Banken in öffentliche Hand. Es gibt zwar etwa 300 registrierte
kommerzielle Bankinstitute, 80Prozent der Einlagen und Kredite
laufen aber über die 28 staatlichen Banken.
Das Kreditwesen im ländlichen Indien hat zur Verschuldung
weiter Kreise der Bevölkerung geführt. Um diese Probleme
zu lösen, wurden Kreditgesellschaften und Bankkooperativen
gegründet; Ziel war insbesondere, den Bauern Kredite zum
Erwerb von Saatgut, Düngemitteln und anderen landwirtschaftlichen
Gütern zu ermöglichen.
Außenhandel
Aufgrund des bis vor kurzem noch geltenden starken Protektionismus
war das Außenhandelsvolumen im Vergleich zur Größe
und Diversifizierung der indischen Wirtschaft eher gering. Dazu
kam ein ständiges Handelsdefizit, das durch den Import von
Öl, Rohstoffen, Maschinen, Konsumgütern, Schmuck, chemischen
Stoffen und Düngemitteln entstanden war und durch Schmuggel
im großen Stil noch verschärft wurde. Die Exporte sind
äußerst vielfältig; wichtig sind Textilien, Kleidung,
Schmuck und Juwelen, Lederwaren, Tee, Gewürze, Werkzeugmaschinen
und chemische Grundstoffe. Etwa zwölf Prozent der jährlichen
indischen Exporte gelangen in die Vereinigten Staaten, die auch
neun Prozent der Importe liefern. Zu den weiteren wichtigen Handelspartnern
gehören Deutschland, Japan, Großbritannien, Belgien,
Saudi-Arabien, die Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS),
Singapur, Australien, die Niederlande und die Vereinigten Arabischen
Emirate.

Zu Beginn der Unabhängigkeit 1947 gehörte Indien zu
den verkehrsmäßig am besten erschlossenen früheren
britischen Kolonien; insbesondere das Eisenbahnnetz war vorbildlich
ausgebaut. Seitdem wurde die bestehende Infrastruktur durch Verlängerung
des Straßennetzes und die Einrichtung eines Binnenflugverkehrs
stark ausgeweitet. Der Großteil des Güterverkehrs wird
aber immer noch über das staatliche Eisenbahnnetz abgewickelt.
Die Gesamtlänge des Schienennetzes beträgt etwa 65000Kilometer;
17Prozent davon sind elektrifiziert. Es werden drei unterschiedliche
Spurbreiten verwendet. Die Länge des Straßennetzes
beträgt mehr als zwei Millionen Kilometer; die Hälfte
davon ist befestigt. Die wichtigsten indischen Häfen wie
Kalkutta, Bombay, Madras und Vishakhapatnam werden von Fracht-
und Passagierschiffen aus allen Teilen der Erde angelaufen. Der
zivile Luftverkehr wurde 1953 verstaatlicht: Die Fluggesellschaft
Air India übernimmt internationale Langstreckenflüge,
Indian Airlines wickelt den Binnenflugverkehr ab. Seit 1991 wurden
einige nationale Luftstraßen für den privaten Sektor
geöffnet. Das Flugverkehrsaufkommen ist erheblich gestiegen,
heute wird nicht mehr nur zwischen den Großstädten
ein regelmäßiger Flugverkehr aufrechterhalten, sondern
auch zu abgelegenen Teilen des Himalaya und des Nordosten Indiens.
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