Madagaskar,
Republik im Indischen Ozean, die von der Südostküste
Afrikas durch die Straße von Moçambique getrennt
ist. Die Demokratische Republik Madagaskar, so die offizielle
Bezeichnung, besteht aus der Insel Madagaskar, der viertgrößten
Insel der Welt, sowie einigen kleineren Inseln. Insgesamt umfasst
die Republik eine Fläche von 587041Quadratkilometern. Frankreich
annektierte Madagaskar 1896. Ab 1958 verwaltete sich die damalige
Republik Malagassi innerhalb der französischen Gemeinschaft
selbst. 1960 wurde sie ganz unabhängig und gab sich 1975
den Namen Demokratische Republik Madagaskar. Antananarivo ist
die Hauptstadt und zugleich größte Stadt.

Eine zentrale, gebirgige Hochebene prägt die Insel Madagaskar.
Die Hochländer sind teils vulkanischen Ursprungs und erheben
sich bis zu 2876Meter hoch auf dem Maromokotro im Norden. Die
massiven Ankaratraberge nahe der Stadt Antananarivo erreichen
eine Höhe von 2643Metern. Das Land fällt nach Osten
steil ab zu einem engen Tiefland, das an den Indischen Ozean
angrenzt. Nach Westen neigt es sich allmählich zu einer
etwas breiteren Küstenebene an der Straße von Moçambique.
Der beste Boden findet sich an der Küste und in den Flusstälern
der zentralen Hochebene.
Flüsse
und Seen
Die Hauptflüsse Madagaskars heißen Betsiboka, Tsiribihina,
Mangoky und Onilahy. Sie entspringen in den Hochländern
nahe der Ostküste und fließen in westlicher Richtung
durch fruchtbare Täler zur Straße von Moçambique.
Die Flüsse, die in den Indischen Ozean münden, sind
dagegen kurz und schnellströmend und stürzen häufig
von den Hochlandgebieten in Wasserfällen herab. Der größte
See ist der Alaotrasee in der Nähe von Toamasina.
Der östliche Landesteil erhält viel Regen, der durch
südöstliche Passatwinde an die Küste transportiert
wird. Der jährliche Niederschlag übersteigt an einigen
Orten 3050Millimeter. Die zentrale Hochebene erhält viel
weniger Regen; im Süden und Südwesten gibt es trockene
Gebiete mit weniger als 380Millimetern Niederschlag im Jahr.
Der meiste Regen fällt zwischen November und April. Die
Küstenregionen sind im Allgemeinen das ganze Jahr hindurch
heiß. In der zentralen Hochebene herrscht ein gemäßigtes
Klima mit warmen Sommern und kühlen Wintern.

Tropische Regenwälder mit wertvollen Harthölzern sind
typisch für den Osten Madagaskars. Savannen aus Wald- und
Grasland bestimmen die trockeneren Westgebiete. Im äußersten
Südwesten gibt es eine Wüstenvegetation. Die Tierwelt
Madagaskars ist außergewöhnlich. Ihre bekanntesten
Vertreter sind die Lemuren, eine primitive Primatenfamilie.

Die
Einwohnerzahl Madagaskars beträgt etwa 13 Millionen, die
Einwohner gehören verschiedenen ethnischen Gruppen an.
Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte beträgt etwa
22Einwohner pro Quadratkilometer, wobei die Hochlandgebiete
dichter besiedelt sind als die Küstenregionen. Die größten
ethnischen Gruppen im Landesinneren sind die Merina (Hova),
die etwa 27Prozent der Gesamtbevölkerung ausmachen, und
die verwandten Betsileo (12Prozent). Sie stammen hauptsächlich
von Einwanderern aus der Region des heutigen Malaysias und Indonesiens
ab, die vor rund 2000Jahren nach Madagaskar kamen.
Die Küstengebiete werden vorwiegend von Stämmen bewohnt,
die gemischte malaiisch-indonesische, schwarzafrikanische oder
arabische Vorfahren haben. Zu diesen Volksgruppen gehören
die Tsimihety (7Prozent), Sakalave (6Prozent) und die Antaisaka
(5Prozent).
Nur rund 22Prozent der Gesamtbevölkerung ist städtisch.
Die Hauptstadt Antananarivo ist zugleich die größte
Stadt mit etwa 802000 Einwohnern. Weitere wichtige städtische
Zentren sind Toamasina (139000), Fianarantsoa (124500), Mahajanga
(122000), Toliara (59000) und Antsiranana (53000).
Sprache
und Religion
Französisch und Madagassisch sind Amtssprachen, der Merinadialekt
von Malagassi ist malayisch-indonesischen Ursprungs. Ungefähr
41Prozent der Bevölkerung sind Christen, rund 52Prozent
folgen traditionellen Religionen und sieben Prozent gehören
dem Islam an.
Bildung und Kultur
1976 verabschiedete die Regierung ein Gesetz über eine
sechsjährige Schulpflicht. Mitte der achtziger Jahre war
die Zahl der Menschen, die lesen und schreiben konnten, auf
67Prozent gestiegen; so gut wie alle Kinder zwischen sechs und
elf Jahren besuchten die Grundschule. Etwa 21Prozent der Jugendlichen
zwischen zwölf und 17Jahren gingen auf weiterführende
Schulen. Die Universität Antananarivo (1961) ist die wichtigste
Hochschuleinrichtung des Landes.

Wichtige
Bibliotheken mit Sammlungen madagassischer Geschichte, Literatur,
Kultur und Kunst sind die Nationalbibliothek und die Bibliotheken
der Universität und der Académie Malgache in Antananarivo.
Das Historische Museum und das Museum für Kunst und Archäologie
der Universität, ebenfalls in Antananarivo, zählen
zu den wichtigsten Museen der Republik.
Medien
Rundfunk- und Fernsehsendungen bieten die beiden staatlichen
Sender Radio-Télévision Malagasy und Radio Madagasikara
an. Zu den einflussreichen Tageszeitungen gehören die von
der Regierung kontrollierte Madagascar-Tribune und die oppositionelle
mongo Vaovao, die beide in Antananarivo herausgegeben werden.

Gemäß der Verfassung von 1975 wurde Madagaskar von
einem Präsidenten regiert, der in öffentlichen Wahlen
für sieben Jahre gewählt wurde. Darüber hinaus
gab es den Obersten Revolutionsrat mit 22Mitgliedern, den der
Präsident ernannte, den Ministerrat unter Führung
des Ministerpräsidenten sowie die Nationalversammlung des
Volkes, die aus 137Mitgliedern bestand. Im November 1991 wurde
eine Übergangsregierung gebildet, und im August 1992 eine
neue Verfassung verabschiedet, die die Machtbefugnisse des Präsidenten
einschränkte.
Madagaskar ist Mitglied der Vereinten Nationen, der Organisation
für Afrikanische Einheit sowie verschiedener anderer internationaler
Organisationen. Es gehört zu den Unterzeichnern der zweiten
Lomé-Konvention (1979), einem Kooperationsvertrag zwischen
der Europäischen Gemeinschaft (jetzt Europäische Union
genannt) und rund 60Entwicklungsländern.
Judikative
Das Rechtssystem ist nach französischem Vorbild geformt.
Dazu gehören der Oberste Gerichtshof in Antananarivo, ein
Berufungsgericht, elf Gerichte der ersten Instanz sowie spezielle
Wirtschafts- und Strafrechtstribunale.
Kommunalverwaltung
Die Kommunalverwaltung ist in sechs Provinzen untergliedert,
die wiederum in Präfekturen, Unterpräfekturen und
Kantone eingeteilt sind. Die beherrschende politische Organisation
Ende der achtziger Jahre war die Avantgarde de la Révolution
Malgache (AREMA). Sie wurde 1977 durch den Zusammenschluss einiger
Parteien gebildet.

Madagaskar gehört zu den ärmsten Ländern der
Welt. Die Landwirtschaft ist der größte Wirtschaftsfaktor.
Fast 80Prozent der Beschäftigten arbeiten dort. Viele Betriebe,
die von französischen Anteilseignern beherrscht waren,
wurden 1975 verstaatlicht.
Landwirtschaft
Aufgrund des gebirgigen Terrains werden nur fünf Prozent
des madagassischen Landes kultiviert. Zu den Haupterntegütern
zählen Reis, Maniok, Bohnen, Bananen, Mais, Süßkartoffeln,
Kartoffeln und Taro. Diese Güter werden hauptsächlich
für den Eigenbedarf angebaut (Subsistenzlandwirtschaft).
Für den Verkauf angebaut werden Kaffee, Gewürznelkenbaum,
Zuckerrohr, Sisal, Tabak und rund 80Prozent des Weltangebots
an Vanille. Die Viehwirtschaft umfasst vorwiegend die Haltung
von Rindern, Ziegen und Schweinen.
Forstwirtschaft
und Fischerei
Der überwiegende Teil des Holzeinschlages dient als Brennstoff
für den heimischen Bedarf. Es gibt wenig kommerziellen
Fischfang. Der größte Teil der jährlichen Fangmenge
wird im Land konsumiert.
Bergbau
Wichtige Bodenschätze Madagaskars sind Bauxit, Chrom und
Nickel. Außerdem kommen Graphit, Eisenerz, Kohle, Erdöl
und Kupfer sowie kleine Mengen an Salz, Granat und Glimmer vor.
Erdölvorkommen vor der Küste, die 1980 entdeckt wurden,
sind bisher noch nicht kommerziell genutzt worden.
Industrie
Wichtigste Fertigungsindustrie ist die Lebensmittelverarbeitung
(Fleischverpackung, Brauereien, Zuckerraffinerien). Die Erdölraffination
und die Montage von Motorfahrzeugen gewinnen zunehmend an Bedeutung.
Außerdem werden in geringem Umfang Textilien, elektronische
Geräte, Glas sowie Druck- und Tabakerzeugnisse hergestellt.
Währung
und Bankwesen
Der Madagaskar-Franc zu 100Centimes ist die offizielle Landeswährung.
Alle Banken wurden 1975 verstaatlicht und unterstehen der Aufsicht
der Zentralbank von Madagaskar (gegründet 1973).
Außenhandel
Madagaskar
hat traditionell eine negative Handelsbilanz. Die wichtigsten
Exportprodukte sind Kaffee, Vanille, Zucker sowie Gewürznelken
und Nelkenöl. Importiert werden vor allem Chemikalien,
Maschinen, Erdöl, Fahrzeuge und Metallwaren. Haupthandelspartner
sind Frankreich, die Vereinigten Staaten, Deutschland und Japan.
Verkehrswesen
Antananarivo ist Mittelpunkt des Transportsystems, das recht
begrenzt ist. Das Eisenbahnnetz umfasst etwa 900Kilometer, das
Straßennetz ungefähr 19000Kilometer (rund 30Prozent
davon sind befestigt). Toamasina ist Haupthafen und wickelt
35Prozent des Außenhandels des Landes ab. Andere Hafenstädte
sind Mahajanga, Toliara und Antsiranana. Auf Madagaskar gibt
es vier große Flughäfen, darunter den internationalen
Flughafen in Antananarivo. Air Madagascar ist die nationale
Fluggesellschaft.
Energie
Ungefähr 55Prozent der Elektrizität werden durch Wasserkraft
produziert. Wasserkraft spielte eine wichtige Rolle bei der
Industriellen Revolution. Sie gab dem Wachstum der Textil-,
Leder- und Fertigungsindustrie Anfang des 19. Jahrhunderts entscheidende
Impulse. Zwar war die Dampfmaschine bereits erfunden, aber Kohle
war knapp und Holz als Brennstoff unzureichend. Wasserkraft
trug zur Entwicklung der ersten Industriestädte bei, bis
Mitte des 19. Jahrhunderts wurde mit dem Bau von Kanälen
billige Transportwege geschaffen.

Man nimmt an, dass die Volksstämme Madagaskars von Indonesiern
und Afrikanern abstammen. Bartolomeu Dias, ein portugiesischer
Seefahrer, der auf dem Weg nach Indien war, sichtete 1500 als
erster Europäer die Insel. Während des 17.Jahrhunderts
versuchten nacheinander die Portugiesen, die Engländer
und die Franzosen Madagaskar in Besitz zu nehmen.
Eindringen
der Franzosen
Die Franzosen fassten 1642 vorübergehend Fuß auf
der Insel, wurden aber 1674 wieder vertrieben. Im folgenden
Jahrhundert erwarben sie schließlich einige Handelsstützpunkte
an der Ostküste. Ihr Einflussbereich war jedoch begrenzt,
weil unter den Merina, einem Volksstamm malayischen Ursprungs,
in der zentralen Hochebene eine mächtige Monarchie entstanden
war. Von 1810 bis 1828, während der Regierungszeit des
Merina-Königs RadamaI., der den Franzosen feindlich gesinnt
war, stiegen die Briten auf. Britische Offiziere bildeten Merina-Truppen
aus, und britische Missionare führten Schulen und das Christentum
ein. Nach dem Tode Radamas entwickelte sich eine starke Reaktion
gegen die europäische Kultur. Reformen wurden abgeschafft,
die Missionare verfolgt und die Handelsbeziehungen mit Großbritannien
erschwert. Mit der Thronbesteigung durch RadamaII. (regierte
1861-1863) wurden einige der früheren Reformen wieder eingeführt.
RadamaII., der frankophil war, wurde schließlich von der
konservativen Splittergruppe am Merinahof ermordet. Wiederholte
Feindseligkeiten mit den Franzosen gipfelten 1895 in der Unterwerfung
der herrschenden Monarchin, Königin RanavalonaIII. 1896
wurde Madagaskar wegen öffentlicher Unruhen zur französischen
Kolonie erklärt; es wurde eine Militärherrschaft eingerichtet
und die Königin ins Exil geschickt.
Während der folgenden Jahrzehnte wuchs die Unzufriedenheit
mit der französischen Herrschaft. 1916 wurde eine geheime
nationalistische Gesellschaft verboten, und Hunderte ihrer Mitglieder
wurden ins Gefängnis geschickt.
Im Mai 1942, zwei Jahre nach dem Fall Frankreichs im 2.Weltkrieg,
entsandte die britische Regierung aus Angst vor einer Übernahme
Madagaskars durch die Japaner eine Expeditionstruppe auf die
Insel. 1943 übergaben die Briten die Herrschaft an das
Nationalkomitee der Freien Franzosen.
Bestrebungen
nach Unabhängigkeit
Gemäß den Bestimmungen der französischen Verfassung
von 1946 wurden Madagaskar und einige Dependancen Überseegebiete
Frankreichs. Die Verfassung sah wählbare madagassische
Provinzversammlungen mit begrenzter Macht vor. Im März
1947 fingen Nationalisten im Osten Madagaskars einen bewaffneten
Aufstand gegen die Franzosen an, der erst im August unterdrückt
werden konnte. Nach dieser Revolte verstärkte die Regierung
ihre Bemühungen, die Wirtschaft zu verbessern, indem sie
das Straßennetz ausbaute und Kohlevorkommen systematischer
abbaute.
Während der fünfziger Jahre ergriff Frankreich Maßnahmen,
um die Selbstverwaltung auf der Insel zu erweitern. Wahlen,
die in den Jahren 1951, 1952 und 1957 stattfanden, begünstigten
im Allgemeinen diejenigen, die den allmählichen Übergang
zur Unabhängigkeit befürworteten. Die Verfassung der
französischen Fünften Republik wurde von 78Prozent
der madagassischen Wählerschaft in einer Volksabstimmung
am 28.September 1958 gebilligt. Ein anschließender Kongress
der Mitglieder der Provinzräte erklärte Madagaskar
unter dem Namen Republik Malagassi zum halbautonomen Mitglied
der französischen Gemeinschaft. Philibert Tsiranana, Führer
der sozialdemokratischen Partei, wurde als Präsident und
Staatschef am 1.November ins Amt eingeführt. Am 26.Juni
1960 wurde die Republik völlig unabhängig. Im September
wurde Madagaskar in die Vereinten Nationen aufgenommen.
Militärherrschaft
Nach einem Jahrzehnt politischer Stabilität machte Madagaskar
in den frühen siebziger Jahren wieder Unruhen durch, obwohl
Tsiranana im Januar 1972 ein zweites Mal gewählt worden
war. Im Frühling wuchs sich ein Studentenstreik zu einem
allgemeinen Aufstand aus. Tsiranana wurde gezwungen, die Macht
an den Oberbefehlshaber der Armee, General Gabriel Ramanantsoa,
zu übergeben. Ramanantsoa wurde von anderen Militärangehörigen
zu Beginn des Jahres 1975 entmachtet; im Juni wurde Oberst Didier
Ratsiraka zum Staatschef ernannt. Am 30. Dezember wurde das
Land umbenannt in Demokratische Republik Madagaskar, und am
4. Januar 1976 begann Ratsirakas siebenjährige Amtszeit
als Präsident. Wirtschaftlicher Druck gegen Ende der siebziger
Jahre schürte die politischen Unruhen. Versuchte Regierungsumstürze
wurden 1977, 1980 und 1982 gemeldet. Ratsiraka, der im November
1982 und März 1989 wiedergewählt worden war, schlug
einen weiteren versuchten Staatsstreich im Mai 1990 nieder.
Nach massiven Demonstrationen gegen die Regierung versprach
er im August 1991, demokratische Reformen einzuführen.
Im August 1992 wurde eine neue Verfassung per Volksabstimmung
angenommen. Albert Zafy besiegte Ratsiraka in den Präsidentschaftswahlen
durch eine Stichwahl im Februar 1993. Der Übergang zur
zivilen Herrschaft ist gekennzeichnet durch aufständische
Truppen, die Anhänger von Ratsiraka sind, sowie durch Konflikte
mit dem Internationalen Währungsfonds hinsichtlich des
Wechselkurses des Madagaskar-Franc.
Präsident Zafy wurde im September 1996 vom Verfassungsgericht
abgesetzt; damit entsprach das Gericht einem Antrag der Nationalversammlung,
die dem Präsidenten Verfassungsmissbrauch vorgeworfen hatte.
Bei den Präsidentschaftswahlen vom Dezember 1996 setzte
sich Didier Ratsiraka durch und wurde erneut Staatsoberhaupt
von Madagaskar.

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