Vietnam,
Republik in Südostasien, die
im Norden an China, im Osten und Süden an das Südchinesische Meer
und im Westen an Kambodscha und Laos grenzt. Amtliche Bezeichnung
ist Sozialistische Republik Vietnam. Sie hat eine Gesamtfläche von
331 114 Quadrat-kilometern. Landeshauptstadt ist Hanoi, größte
Stadt des Landes ist Ho-Chi-Minh-Stadt.
Vietnam
umschließt die historischen Gebiete Tonking, Annam und Cochinchina.
Die europäische Herrschaft, die über 400 Jahre dauerte, riss
diese traditionellen Regionen auseinander. Im 19. Jahrhundert
kolonialisierte Frankreich stufenweise Teilgebiete Vietnams. Nach
Unabhängigkeit strebende nationale Gruppen prägten die jüngere Geschichte
des Landes. Von den fünfziger bis zu den siebziger Jahren war Vietnam
Schlachtfeld eines Krieges, aus dem die Republik als geteiltes Land
hervorging. Der nördliche Teil wurde den kommunistischen Nationen
als Verbündeter angeschlossen, wie beispielsweise der Union der
Sozialistischen Sowjetrepubliken (UdSSR) und China. Von letzterem
wurde Vietnam die längste Zeit beherrscht. Der südliche Teil wurde
Verbündeter der Vereinigten Staaten von Amerika. Der Vietnamkrieg
endete 1975. Die politische Einheit wurde im folgenden Jahr hergestellt,
als die Demokratische Republik Vietnam im Norden sich mit der Republik
Vietnam im Süden zu einer Nation vereinigte.

Vietnam breitet sich im östlichsten
Teil der südostasiatischen Halbinsel in zerklüfteter, lang gestreckter
S-Form aus. Ihre Landschaftsstruktur wird von Gebirgsketten, Küstenebenen
und Flussdeltas geprägt.
Physische
Geographie
Vietnam teilt sich in
vier Hauptgebiete: Im Nordwesten erstrecken sich die Ausläufer des
chinesischen Yunnan-Plateaus. Die höchste Erhebung des Landes befindet
sich an der Grenze zu China, wo der Fan Si Pan 3 142 Meter
Höhe erreicht. Zum Osten des Gebirgslandes hin liegt das Delta des
Roten Flusses, auch Song Hong oder Tonking-Delta genannt, ein dreieckig
verlaufendes Küstentiefland am Golf von Tonking, einem Seitenarm
des Südchinesischen Meeres. Zum Süden hin setzt sich das Gebirgsland
mit der Küstenkette von Annam und einer angrenzenden Küstenebene
fort. Sie prägen die geographische Struktur Zentralvietnams. Die
vierte und südlichste Region ist das Mekong-Delta, ein Aufschüttungstiefland.
Die Böden in den Deltagebieten des Roten Flusses und des Mekong
bestehen aus fruchtbarem Schwemmland. In den höher gelegenen Regionen
werden die Nährstoffe durch starke Regenfälle aus dem Boden geschwemmt.
Flüsse
Der Rote Fluss im Norden
und der Mekong im Süden sind die wichtigsten Süßwasserquellen des
Landes. Der Rote Fluss strömt aus dem nordwestlichen Bergland fast
direkt in Süd-Ost-Richtung. Der Mekong weist einen unregelmäßigen
Flusslauf von Kambodscha durch Südvietnam auf, bis er über ein komplexes
Delta-Armnetz ins Südchinesische
Meer mündet. Beide Flüsse werden zum Schutz vor Überschwemmungen
von Dämmen begrenzt.
Klima
Im
Landesinneren des Nordens sind die Temperaturen subtropischer Natur.
Jahreszeitlich wechselnde Winde führen zu trockenen Winter- und
feuchten Sommermonaten. Die zentralen und südöstlichen Regionen
haben ein tropisch-monsunales Klima mit hohen Temperaturen und großen
Niederschlagsmengen. Im Südwesten treten unterschiedliche Feucht-
und Trockenperioden auf, doch liegen die Temperaturen höher als
im Norden. In Hanoi reichen die Temperaturwerte von etwa 13 °C
im Januar bis zu 33 °C im Juni. Die mittlere Niederschlagsmenge
beläuft sich hier auf 1 830 Millimeter.

Eine artenreiche Vegetation
prägt das Land. Die typischen Mischbaumbestände der Regenwälder
setzen sich aus verschiedenen Kiefern, Brotbäumen, Kletterpflanzen
und Bambusgewächsen zusammen. Dichte Mangrovenvegetation säumt die
Flussarme der Deltaregionen.
In
den tropischen Regenwäldern sind große Säugetiere beheimatet, zu
denen Elefanten, Hirsche, Bären, Tiger und Leoparden zählen. Affen,
Hasen, Eichhörnchen und Otter sind über das gesamte Land verbreitet.
Krokodile, Schlangen und Eidechsen sowie verschiedene Vogelarten
gehören ebenfalls zur einheimischen Tierwelt.
Bevölkerung
Die Vietnamesen (Annamiten),
eng verwandt mit den Südchinesen, stellen mit über 88 Prozent
der Bevölkerung die größte Bevölkerungsgruppe. Sie sind vorwiegend
in den Deltaregionen beheimatet. Der Rest besteht aus Angehörigen
der rund 53 ethnischen Minderheiten, die sich in den Bergregionen
konzentrieren. Die chinesische Minderheit hat sich mit der Auswanderungswelle,
die besonders zurzeit des Krieges gegen China Ende der siebziger
Jahre einsetzte, drastisch verringert. Die Einwohnerzahl beträgt
etwa 72,5 Millionen, was eine Bevölkerungsdichte von rund 219 Einwohner
pro Quadratkilometer ergibt. Der südliche Teil des Landes weist
eine größere Verstädterung als der Norden auf, obwohl die Mehrzahl
der Einwohner in ländlichen Gebieten ansässig ist. Die meisten Menschen
leben in den Delta- oder Küstenregionen. Die Bevölkerung Vietnams
hat ein niedriges Durchschnittsalter. Etwa 39 Prozent aller
Vietnamesen haben das 15. Lebensjahr noch nicht vollendet.
Das Bevölkerungswachstum liegt bei einer jährlichen Rate von 2,2 Prozent.
In Vietnam besteht ein staatliches Sozialleistungssystem.

Die meisten größeren
Städte befinden sich im Süden Vietnams. Von den bedeutendsten liegt
nur die Landeshauptstadt Hanoi (3,1 Millionen Einwohner) nicht
an der Küste. Weitere große Städte sind Ho-Chi-Minh-Stadt (3,9 Millionen),
das ehemalige Saigon, Haiphong (1,4 Millionen, gleichzeitig
Hanois Hafen) und Da Nang (370 000) nahe der altehrwürdigen
Stadt Huë (260 000).
Sprache
Amtssprache ist Vietnamesisch.
Sie wird von der Mehrheit der Bevölkerung gesprochen. Französisch,
ein Überbleibsel aus der Kolonialzeit, wird immer weniger verwendet.
Kleine Teile der vietnamesischen Stadtbevölkerung sprechen auch
Englisch oder Russisch. Im Landesinneren herrschen die Minderheitensprachen
Khmer, Cham und Montagnard vor. Mit dem chinesischen Exodus der
letzten Jahre ist auch die chinesische Sprache aus dem alltäglichen
Gebrauch verschwunden, ihre große kulturelle und historische Bedeutung
besteht aber noch.
Religion
Seit alters her herrscht
im Land der Buddhismus vor, der auf den chinesischen Einfluss zurückzuführen
ist. Zu der traditionellen Religion des Mahajana-Buddhismus sind
die neuzeitlicheren Glaubensrichtungen des Caodaismus und des Hoa
Hao hinzugekommen. Die philosophischen Weltanschauungen des Konfuzianismus
und des Taoismus nehmen, zusammen mit verwandten chinesischen Religionen,
einen hohen Stellenwert ein. Es gibt rund 4,5 Millionen Anhänger
des römisch-katholischen Glaubens.

Die
lange Zeit der militärischen Auseinandersetzungen hat in der Bildung
und in Kulturprogrammen zu ernsthaften Beeinträchtigungen geführt.
Nach der nationalen Wiedervereinigung wurde der Schwerpunkt auf
die Umerziehung der Bevölkerung des Südens nach kommunistischem
System gelegt.
Das
kulturelle Leben wurde bis zur Übernahme durch die Franzosen im
19. Jahrhundert stark von den Chinesen beeinflusst. Ab diesem
Zeitpunkt wurde die traditionelle Kultur langsam von westlichen
Charakterzügen überlagert. Nach der Wiedervereinigung wollte die
Regierung das vietnamesische Leben von westlichen Einflüssen befreien.
Dieser politische Kurs wurde aber wieder gelockert.
Bildung und Schulwesen
In der gemeinsamen Republik wurden alle Schulen verstaatlicht. Es
besteht eine unentgeltliche, allgemeine Schulpflicht. Die bedeutendsten
Universitäten sind die Universität von Hanoi (gegründet 1956) und
die Universität von Ho-Chi-Minh-Stadt (1917). Vietnam verfügt über
insgesamt 106 Universitäten und Hochschulen. Die Analphabetenrate
liegt bei sechs Prozent.
Kultureinrichtungen
Zwei bedeutende Museen
der vietnamesischen Kultur sind in Hanoi 1958 und in Ho-Chi-Minh-Stadt
1977 eingerichtet worden. Die Staatsbibliothek wurde 1919 in Hanoi
eröffnet. 1976 wurde in Ho-Chi-Minh-Stadt das Gegenstück dazu gegründet.
Medien
In Vietnam werden zwei nationale Tageszeitungen verlegt: Nhan Dan
(„Das Volk"), die amtliche Zeitung der Kommunistischen Partei
mit einer Auflage von 200 000 Exemplaren, und Quan Doi
Nhan Dan („Volksarmee"), die Zeitung der Streitkräfte mit einer
Auflage von 60 000 Stück. Von Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt
aus senden zwei nationale Radiostationen. Das gesamte Kommunikationswesen
in Vietnam unterliegt der staatlichen Überwachung.

Eine 1992 in Kraft getretene
Verfassung weist der Kommunistischen Partei eine politische und
gesellschaftliche Monopolstellung zu. Die Partei agiert über die
Vietnamesische Vaterländische Front, die sich u. a. aus den
Vertretern anderer Parteien, Gewerkschaften und Sozialorganisationen
zusammensetzt.
Exekutive
Nach der Verfassung von
1992 ist der von den Abgeordneten der Nationalversammlung gewählte
Präsident Staatsoberhaupt. Er ist außerdem Oberbefehlshaber der
Streitkräfte und somit Vorsitzender des Nationalen Verteidigungs-
und Sicherheitsrates. Der Ministerpräsident führt die Regierung
und ernennt ein Kabinett, das der Zustimmung des Parlaments (Nationalversammlung)
bedarf.
Legislative
Das Einkammerparlament,
die Nationalversammlung, setzt sich aus maximal 400 Abgeordneten
zusammen und ist das höchste Legislativorgan Vietnams. Ernennungen
in die Regierung werden von der auf fünf Jahre gewählten Legislative
ratifiziert.
Judikative
Die Richter der Volksgerichte
werden in ihre Ämter gewählt. Kontrollorgane können bei Gesetzesübertretungen
Verfahren gegen Staatsorgane oder Bürger einleiten. Das oberste
Gericht ist der Oberste Volksgerichtshof.
Kommunalverwaltung
Ein System der Volksräte,
in dem jeder Volksrat eine kommunale Gerichtsbarkeit vertritt, verwaltet
die Kommunalregierung. Jeder Rat verfügt über ein aus seinen Reihen
gewähltes Volkskomitee, das als Exekutivorgan fungiert. Das Land
ist in sieben Regionen mit 50 Provinzen und drei direkt der
Zentralregierung unterstellte Städte gegliedert (Hanoi, Haiphong
und Ho-Chi-Minh-Stadt).
Politik
Die Vietnamesische Kommunistische
Partei ist die staatstragende politische Institution. Alle Kandidaten
der Legislative müssen von der Vietnamesischen Vaterländischen Front
gebilligt werden. In den Parlamentswahlen wurden 1992 erstmals unabhängige
Kandidaten zugelassen, von denen kein einziger als Abgeordneter
den Einzug ins Parlament schaffte.
Verteidigung
Es besteht eine zwei-
bis dreijährige Wehrpflicht.


Das
nördliche Bergland weist wertvolle Mineralienvorkommen auf, zu denen
Eisenerz, Anthrazitkohle, Zink, Chromeisenerz, Zinn und Apatit gehören.
Erdöl- und Erdgasvorkommen sind der Küste vorgelagert. Die heutige
Wirtschaft entfaltete sich in einer Zeit, in der Militäraktionen
und politische Unruhen das Land regierten. Nach der Teilung 1954
entwickelten die Länder Nord- und Südvietnam ihre eigenen Wirtschaftsstrukturen
mit entsprechend unterschiedlichen Systemen, Rohstoffgrundlagen
und Handelspartnern. Der Norden unterlag einer zentralgesteuerten
Planwirtschaft, während im Süden die freie Marktwirtschaft herrschte.
Mit der Wiedervereinigung 1976 wurde die zentrale Planwirtschaft
auch im Süden eingeführt. Dies führte in den achtziger Jahren zu
Hungersnöten und Hyperinflation. Ein 1986 unter dem Namen doi moi
(Erneuerung) eingeführtes, fortlaufendes Wirtschaftsreformprogramm
förderte wichtige Elemente der Wirtschaft: Wettbewerb, offene Märkte
und ausländische Kapitalinvestitionen. Ein Reformprogramm von 1990
soll bis zum Jahr 2000 eine Verdoppelung des Pro-Kopf-Einkommens,
eine 50-prozentige Steigerung der Reisernte sowie eine fünffache
Steigerung der Exporteinnahmen erreichen. Zwischen 1991 und 1993
wurden 3 000 unrentabel arbeitende staatliche Betriebe geschlossen.
Landwirtschaft
Der führende wirtschaftliche
Sektor ist die Landwirtschaft, in der etwa 72 Prozent aller
Erwerbstätigen beschäftigt sind. Die Landwirtschaft wurde 1989 aus
der staatlichen Kontrolle genommen. Zu den Hauptanbauprodukten des
Landes gehören Reis (Vietnam ist nach Thailand und den Vereinigten
Staaten der weltweit drittgrößte Reisexporteur), Zuckerrohr, Obst
und Gemüse (vor allem Melonen, Maniok und Süßkartoffeln). Die für
den Export bestimmten Anbauprodukte sind Kaffee, Tee, Sojabohnen
und Kautschuk.
Forstwirtschaft
und Fischerei
Obwohl Waldgebiete etwa
20 Prozent der Gesamtfläche Vietnams ausmachen, wird eine Ausweitung
der kommerziellen Forstwirtschaft durch mangelnde Transporteinrichtungen
und die vorherrschende Mischwaldkultur (vor allem Teakholz und Bambusgewächse)
erschwert. Holzexporte wurden 1992 verboten.
Vietnam
hat fischreiche Gewässer. Die Küstenfischerei im Südchinesischen
Meer erbringt das größteFangvolumen. In Überschwemmungsgebieten
des Inlands wird mancherorts Fischzucht betrieben.
Bergbau
Das größte Bergbaugebiet
befindet sich im Nordwesten des Landes, wo Anthrazitkohle, Phosphatgestein,
Kupfer, Zinn, Eisenantimon und Chromerze abgebaut werden. Steinkohle
und Apatit, ein Phosphatgestein, werden in großem Umfang gefördert.
Große Erdöl- und Erdgaslagerstätten vor der Küste werden seit 1975
vorwiegend von staatlichen Gesellschaften ausgebeutet. Allerdings
lagern die Vorkommen in Regionen, die von China beansprucht werden.
Industrie
Die Hauptindustriestandorte
konzentrieren sich im Norden. Trotz einer Restaurierung der Anlagen
erreichen diese nicht die planmäßige Produktionsleistung. Wichtige
Produktionszweige sind Papier-,Zement-, Textil-, Nahrungsmittel-
und chemische (vor allem Düngemittel) Industrie.
Währung
und Bankwesen
Mit der Wiedervereinigung
wurde die südvietnamesische Währung des Paistres abgeschafft. Die
Währungseinheit ist heute der neue Dong zu 100 Xu. Die Staatsbank
von Vietnam (gegründet 1951) ist die nationale Notenbank. Vier unabhängige,
kommerzielle Banken wurden 1990 von der Regierung gegründet.
Außenhandel
Die Handelsbilanz ist
nahezu ausgeglichen. Zu den bedeutendsten Exportgütern zählen landwirtschaftliche
Produkte (insbesondere Reis), Erdöl, Steinkohle, Kleidung, Schuhe,
Keramik, Edelsteine und Seide. Haupteinfuhrgüter sind Mineralöl,
Traktoren, Düngemittel, Transportmittel und Ersatzteile. Zu den
Haupthandelspartnern zählen Japan, Hongkong, die Philippinen, Singapur,
Frankreich und Deutschland. Seit 1987 hat die Regierung ausländische
Kapitalinvestitionen gefördert. Am 4. Februar 1994 hoben die
Vereinigten Staaten ihr 1964 gegen Nordvietnam erlassenes Handelsembargo
auf.
Gewerkschaften
Die einzig gesetzlich
zugelassene Gewerkschaftsvereinigung ist der Allgemeine vietnamesische
Gewerkschaftsbund, dem etwa 3,8 Millionen Mitglieder angehören.
Ein 1994 verabschiedetes Arbeitsgesetz räumte Arbeitern erstmalig
das Streikrecht ein.
Verkehrswesen
Die
Kriegsjahre hinterließen im Verkehrsnetz unübersehbare Spuren. Seit
dem Ende der militärischen Auseinandersetzung ist man bemüht, den
Süden mit dem Norden verkehrstechnisch zu verbinden. Der Autoverkehr
gestaltet sich entlang der Küste am einfachsten. Das Streckennetz
der Eisenbahn verläuft vorwiegend im Norden des Landes. Eine Ausnahme
bildet die 1 730 Kilometer lange Eisenbahnverbindung zwischen
Hanoi und Ho-Chi-Minh-Stadt. Die lang gestreckte Küstenlinie, der
Mekong und der Rote Fluss mit seinen Seitenarmen sowie viele andere
kleinere Flüsse und Kanäle werden als Wasserstraßen genutzt. Die
bedeutendsten Seehäfen für die Verschiffung nach Übersee sind Haiphong,
Da Nang und Ho-Chi-Minh-Stadt. Die vietnamesische Fluggesellschaft
bietet sowohl inländische als auch ausländische Flugverbindungen
an. Internationale Flughäfen befinden sich in Ho-Chi-Minh-Stadt
und in Hanoi (Noi Bai).
Energie
Vietnam hat sein beträchtliches
Potential an Wasserkraft bisher noch nicht vollständig für die Energiegewinnung
ausgenutzt. Kohlekraftwerke sind weiterhin die vorrangige Quelle
der Energieversorgung.

 
Die Vietnamesen traten in
der Geschichte erstmalig in Erscheinung als eines der vielen Völker,
die sich über das Gebiet des heutigen Südchina und Nordvietnams
verteilt haben. Überlieferungen berichten von einem kleinen vietnamesischen
Reich Au Lac, das im Delta des Roten Flusses (Tonking-Delta) von
einem legendären Königsgeschlecht errichtet wurde, das Tausende
von Jahren vorher über das alte Königreich Van Lang geherrscht hatte.
Für dessen Existenz geben lediglich ein paar archäologische Spuren
Anhaltspunkte.
Chinesischer
Einfluss
221 v. Chr. beendete
die Qin-Dynastie in China ihren Eroberungszug gegen angrenzende
Staaten und wurde zum ersten Herrschergeschlecht über ein vereinigtes
China. Das Qin-Reich verlor aber nach dem Tod seines tatkräftigen
Gründers Shi Huangdi seinen Zusammenhalt und zerfiel. Die Auswirkungen
wurden schon bald in Vietnam spürbar. In den Trümmern des Reiches
errichtete der chinesische Heerführer im Süden sein eigenes Reich
Nam Viet (Südvietnam, chinesisch Nanyue), das das junge Reich Au
Lac umschloss.
111
v. Chr. eroberten chinesische Truppen unter Kaiser Wudi Nam
Viet und verleibten es dem Reich der Han-Dynastie ein. Die chinesische
Eroberung hatte für den weiteren Verlauf der vietnamesischen Geschichte
schicksalhafte Folgen. Nach einer kurzen Herrschaft örtlicher Oberhäupter
strebten die chinesischen Herrscher die politische und kulturelle
Integration Vietnams in das Han-Reich an. Chinesische Verwaltungsbeamte
kamen ins Reich und ersetzten den ansässigen Landadel. Politische
Institutionen nach dem chinesischen Modell wurden zwangsweise eingerichtet
und der Konfuzianismus zur Staatsideologie erhoben. Die chinesische
Sprache wurde Amts- und Literatursprache. Chinesische Ideogramme
wurden für die Umsetzung der gesprochenen vietnamesischen Sprache
ins Schriftbild übernommen. Chinesische Kultur, wie Kunst, Architektur
und Musik, übte einen tief greifenden Einfluss auf die entsprechenden
Bereiche der vietnamesischen Kultur aus.
Der
vietnamesische Widerstand gegen die chinesische Herrschaft war heftig,
entlud sich aber nur sporadisch. Der bekannteste Aufstand gegen
die Fremdherrschaft wurde 39 n. Chr. von den Schwestern Trung
angeführt, zwei Witwen des ansässigen Adels. Der Aufstand war kurzzeitig
erfolgreich, so dass sich die ältere Schwester Trung Trac zur Herrscherin
eines unabhängigen Reiches einsetzte. Die chinesischen Truppen nahmen
den Angriff erneut auf, und hatten 43 n. Chr. Vietnam zurückerobert.
Unabhängigkeit
Der
Aufstand der Schwestern Trung war der erste einer Reihe auftretender
Revolten während der tausendjährigen chinesischen Herrschaft über
Vietnam. Schließlich nutzten vietnamesische Truppen unter Ngo Quyen
die chaotische Situation in China 939, um die Besatzungstruppen
vor Ort zu schlagen und ein unabhängiges Reich zu errichten. Ein
paar Jahre später leitete der Tod Ngo Quyens zwar eine Zeit bürgerkriegsähnlicher
Zustände ein, doch wurde Anfang des 11. Jahrhunderts die erste
der großen vietnamesischen Dynastien errichtet. Unter der Führung
verschiedener Herrscher bestand die Ly-Dynastie über mehr als 200 Jahre
fort und regierte über Vietnam von 1009 bis 1225. Obwohl die Entstehung
der Ly-Dynastie das Aufkommen eines regen vietnamesischen Nationalbewusstseins
widerspiegelte, behielten die Ly-Herrscher viele der politischen
und sozialen Einrichtungen aus der Zeit der chinesischen Herrschaft
bei. Der Konfuzianismus blieb weiterhin die Grundlage der politischen
Staatseinrichtungen.
Die
Wirtschaft in der Ly-Dynastie
Vietnam war wie viele
seiner angrenzenden Reiche ein auf Landwirtschaft ausgerichtetes
Land, in dem der Anbau von Reis die Lebensgrundlage schuf. Weite
Teile des Gebiets waren im Besitz mächtiger Familien, die über Tausende
von Leibeigenen oder Haussklaven verfügten. Weiterhin gab es aber
auch eine Schicht von Kleinbauern mit Landbesitz. Mächtige Herrscher
unternahmen häufig Schritte, diese Schicht zu schützen, indem sie
die Großgrundbesitzer einschränkten und deren riesige Landgüter
aufteilten.
Territoriale
Ausdehnung
Unter der Herrschaft
der Ly-Dynastie und den Nachfolgern der Tran (1225-1400) wurde Vietnam
zu einer dynamischen Macht in Südostasien. Die chinesischen Herrscher
hatten aber ihr historisches Ziel der Einnahme des Tonking-Deltas
nie aus den Augen verloren. Als im 13. Jahrhundert das mongolische
Weltreich auch China in Form der Yuan-Dynastie beherrschte, griffen
die Truppen Kublai Khans Vietnam an, um es ebenfalls ihrem Reichsgebiet
einzuverleiben, stießen aber auf heftigen Widerstand.
Über
Jahrhunderte beschränkte sich das vietnamesische Reich auf das Kernland
im Tal des Roten Flusses und auf die angrenzenden Berge (Tonking).
Zwischen Vietnam und dem Reich Champa, einem Seefahrerreich entlang
der mittelvietnamesischen Küste, kam es kurz nach der wiedererlangten
Unabhängigkeit Vietnams zu Spannungen. Mehrmals drangen die Cham-Truppen
durch die vietnamesische Verteidigung und besetzten die Hauptstadt,
wurden jedoch immer wieder zurückgedrängt. Im 15. Jahrhundert
konnten die vietnamesischen Armeen die Hauptstadt von Champa südlich
des heutigen Da Nang schließlich einnehmen und das Reich Champa
gänzlich niederschlagen.
In
den folgenden Generationen verfolgte Vietnam weiterhin seinen „Vormarsch
in den Süden", wobei es sich allmählich dem marschigen Tiefland
des Mekong-Deltas näherte, wo das Reich der Khmer lag. Der Widerstand
gegen das vietnamesische Vordringen war nur gering. Ende des 17. Jahrhunderts
hatte Vietnam das niedere Mekong-Delta eingenommen und drang weiter
nach Westen vor. Das zerfallende Reich der Khmer lief zunehmend
Gefahr, in ein bloßes Protektorat verwandelt zu werden.
Die
Le-Dynastie
Der Vorstoß Vietnams
in den Süden traf mit neuen Angriffen im Norden zusammen. 1407 wurde
Vietnam erneut von chinesischen Truppen erobert. Über zwei Jahrzehnte
versuchte die Ming-Dynastie, Vietnam wieder dem Chinesischen Reich
einzugliedern. Die vietnamesischen Widerstandstruppen brachten aber
unter dem Rebellenführer Le Loi den Chinesen 1428 eine entscheidende
Niederlage bei und stellten die vietnamesische Unabhängigkeit wieder
her. Le Loi bestieg als erster Kaiser der Le-Dynastie den Thron.
Das neue Herrscherhaus behauptete seine Macht über 100 Jahre,
bis es im 16. Jahrhundert seinem Niedergang entgegensah. Die
Macht bei Hofe ging von zwei miteinander verfeindeten Feudalgeschlechtern
der Trinh und der Nguyen aus. Als die Trinh die Oberherrschaft gewannen,
wurde den Nguyen 1620 ein Lehensbesitztum im Süden gewährt, das
sich um die Stadt Huë zentrierte. Es kam zu einer Zweiteilung Vietnams.
Europäer erreichten auf der Suche nach Wohlstand und christlichen
Überläufern Südostasien und vertieften durch ihre Machenschaften
die Rivalität zwischen Nord und Süd. 1516 kamen die ersten portugiesischen
Seefahrer. Bis zum 17. Jahrhundert bauten sie einen florierenden
Handelshafen auf. Zum Ende des Jahrhunderts wandten sich die Vietnamesen
gegen die europäische Einmischung und verfolgten einen ähnlichen
politischen Kurs der Isolierung wie China und Japan. Die Trinh und
die Nguyen regierten in Rivalität zueinander aus Hanoi und Huë,
während die eigentlichen Herrscher der Le-Dynastie nur noch als
Marionetten der Trinh fungierten.
Ende
des 18. Jahrhunderts stand die Le-Dynastie kurz vor dem Zusammenbruch.
Riesige Reisanbaugebiete wurden von habgierigen Feudalherren kontrolliert.
1777 formierten sich aufgebrachte Bauern unter den Tay-Son-Brüdern
und töteten die Nyugens. Nach dem Sturz der Trinh und der erfolgreichen
Abwehr einer Invasion der Manchu-Dynastie gelang es einem der beiden
Brüder, Vietnam 1789 unter eine vereinigte Herrschaft zu stellen.
Er verstarb kurz nach der Thronbesteigung. Wenige Jahre später schlug
der einzig überlebende Erbe des Herrscherhauses der Nguyen, Nguyen
Anh, mit französischer Unterstützung die Truppen Tay Sons nieder.
Als Kaiser Gia Long errichtete er 1802 eine neue Dynastie.
Französische
Intervention
Ein französischer Missionar,
Pierre Pigneau de Behaine, hatte eine Söldnertruppe zusammengestellt,
um Nguyen Anh zu unterstützen. Er erhoffte sich vom neuen Kaiser
Vorteile für Frankreich in Sachen Handel und Missionsaufbau. Seine
Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Nguyen-Dynastie hegte dem französischen
Einfluss gegenüber Misstrauen, so dass die römisch-katholischen
Missionen und ihre vietnamesischen Anhänger verfolgt und einige
sogar hingerichtet wurden. Religionsgemeinschaften in Frankreich
forderten die Regierung in Paris zum Handeln auf. Als auch beim
Handel und beim Militär ein ähnlicher Druck spürbar wurde, stimmte
Kaiser Napoleon III. 1858 einem von See geführten Feldzug zu.
Die Vietnamesen sollten sich Frankreich als Protektorat unterstellen.
1862
wurde der Abtretung mehrerer Provinzen im Mekong-Delta (später Cochinchina)
an Frankreich zugestimmt. In den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts
nahmen die Franzosen ihre Angriffe wieder auf und suchten sich diesmal
Ziele im Norden. Nach schweren Niederlagen willigte Vietnam in die
Errichtung eines französischen Protektorats über den verbleibenden
Teil Vietnams ein.
Kolonialherrschaft
und Widerstand
Die Errichtung der französischen
Kolonialherrschaft stieß auf nur wenig organisierten Widerstand.
Dennoch keimte eine antikoloniale Stimmung auf. Die schlechten wirtschaftlichen
Verhältnisse, in denen die Einheimischen lebten, trugen zu ihrer
feindlichen Haltung gegenüber der strengen französischen Herrschaft
bei. Auf dem Land hatten Bauern mit hohen Steuern und Pachtzahlungen
an die kollaborierenden Landbesitzer zu kämpfen. In den Fabriken,
Kohlebergwerken und auf den Kautschukplantagen hatten die Arbeiter
bei nur geringer Bezahlung unter katastrophalen Bedingungen zu leiden.
Vietnamesen waren auf fast allen Ebenen von der Kolonialverwaltung
ausgeschlossen. Die Franzosen rekrutierten Zwangsarbeiter für öffentliche
Arbeitsprojekte, räumten den Vietnamesen aber keinen rechtlichen
Schutz oder Entschädigungszahlungen ein. Anfang des 20. Jahrhunderts
begannen nationalistische Parteien, ihren Forderungen nach Reformen
und Unabhängigkeit Ausdruck zu verleihen. 1930 gründete Ho Chi Minh
die Kommunistische Partei Indochinas.
Bis
zum Ausbruch des 2. Weltkrieges 1939 blieb die politische Arbeit
dieser Parteien ohne Erfolg. 1940 forderte und erhielt Japan das
Recht, Vietnam unter militärische Belagerung zu stellen. Die Gelegenheit
nutzend organisierten die Kommunisten mit verdeckter Unterstützung
der Amerikaner die breite Bewegung der Vietminh Front und bereiteten
zum Ende des Krieges einen Aufstand vor. Die Vietminh (Abkürzung
für Viet Nam Doc Lap Dong Minh oder Liga für die Unabhängigkeit
Vietnams) konzentrierten sich eher auf angemessene Reformen und
nationale Unabhängigkeit als auf speziell kommunistische Ziele.
Als sich die Japaner im August 1945 den Alliierten ergaben, erhoben
sich in ganz Vietnam die Truppen der Vietminh und erklärten in Hanoi
die Errichtung einer unabhängigen Republik.
Frankreich
war allerdings nicht gewillt, Vietnam in die Unabhängigkeit zu entlassen
und verdrängte die Vietminh sowie andere nationalistische Gruppen
aus dem Süden. Über mehr als ein Jahr suchten Frankreich und die
Vietminh in Verhandlungen nach einer Lösung, doch konnte keine Einigung
erzielt werden, da Frankreich fest entschlossen war, Vietnam erneut
zu annektieren. Im November 1946 kosteten die Bombenangriffe französischer
Kriegsschiffe auf Haiphong Tausende von Zivilisten das Leben. Die
Streitkräfte der Vietminh in Hanoi schlugen im Dezember zurück.
Die
Vertreibung der Franzosen
Die kriegerischen Auseinandersetzungen
dauerten beinahe neun Jahre. Die Vietminh zogen sich in die Berge
zurück, wo sie ihre Truppen aufbauten, während die Franzosen eine
gegnerische Regierung unter Kaiser Bao Dai, dem letzten Herrscher
der Nguyen-Dynastie, in den vielbevölkerten Regionen entlang der
Küste errichteten. Den Vietminh mangelte es an militärischer Stärke,
um den Franzosen eine Niederlage beizubringen. Sie beschränkten
ihre Aktivitäten daher auf die Guerillakriegsführung. Von 1953 bis
1954 befestigten die Franzosen einen Militärstützpunkt bei Dien
Bien Phu, den die Vietminh nach monatelanger Belagerung und vielen
Todesopfern in der entscheidenden Schlacht von Dien Bien Phu einnahmen.
Die Franzosen konnten sich in der Folgezeit dem Druck einer kriegsmüden
Nation im Heimatland nicht widersetzen und willigten im Juni 1954
in kriegsabschließende Verhandlungen ein. Auf der Indochina-Konferenz
in Genf wurde die Teilung Vietnams am 17. Breitengrad beschlossen.
Die Vietminh zogen sich in den Norden des Landes zurück, während
die Franzosen und ihre vietnamesischen Verbündeten den Süden einnahmen.
Um einer endgültigen Teilung des Landes entgegenzuwirken, wurde
ein politisches Protokoll verfasst, das freie Wahlen für die Wiedervereinigung
des Landes zwei Jahre nach Unterzeichnung des Vertrags festlegte.
Teilung
Nach der Genfer Konferenz
nahmen die Vietminh in Hanoi Abstand von weiteren bewaffneten Kampfhandlungen
und begannen mit dem Aufbau einer kommunistischen Gesellschaft.
In der südlichen Hauptstadt Saigon wurde Bao Dai bereits kurz darauf
von einem neuen Regime unter dem antikommunistischen Ministerpräsidenten
Ngo Dinh Diem gestürzt. Mit diplomatischer Unterstützung vonseiten
der Vereinigten Staaten weigerte sich Diem, freie Wahlen abzuhalten
und leitete Schritte gegen den kommunistischen Einfluss im Süden
in die Wege. 1959 kam Diem in ernsthafte Schwierigkeiten. Angeprangert
wurden seine unkooperative Haltung gegenüber der inländischen Opposition,
seine Begünstigung römisch-katholischer Freunde sowie der Fehlschlag
seiner Sozial- und Wirtschaftspolitik. Die Kommunisten sahen ihre
Stunde für einen Revolutionskrieg gekommen.
Der Vietnamkrieg
Im Herbst 1963 wurde Diem durch einen Militärputsch seiner eigenen
Generäle gestürzt und ermordet. Anfang 1965 griffen die USA unter
US-Präsident Lyndon Johnson offen in den darauf folgenden Krieg
zwischen den beiden Landesteilen ein – unter intensiver Bombardierung
Nordvietnams sowie durch die Entsendung von US-Kampftruppen in den
Süden.
1968
entschloss sich die Johnson-Regierung, den Weg der Verhandlungen
anzustreben, nachdem die blutige und schlagkräftige Tet-Offensive
der Vietminh das neue, autoritäre Saigon-Regime unter Staatspräsident
Nguyen Van Thieu bis in die Grundmauern erschüttert hatte. Ho Chi
Minh starb 1969. Sein Nachfolger wurde Le Duan, ein weiterer Anführer
der Revolution. Der neue US-Präsident Richard Nixon verfolgte den
von Johnson eingeschlagenen politischen Kurs weiter, wobei er allmählich
die US-Truppen aus dem Land abzog. Im Januar 1973 endete der Krieg
kurzzeitig mit der Unterzeichnung eines Friedensvertrags in Paris.
Der Vertrag sah den vollständigen Abzug der US-Truppen vor, während
Hanoi stillschweigend den vom Thieu-Regime vorzubereitenden allgemeinen
Wahlen in Vietnam zustimmte. Das Abkommen scheiterte kurz darauf.
Anfang 1975 starteten die Kommunisten eine Militäroffensive. Innerhalb
von sechs Wochen brach der Widerstand des Thieu-Regimes zusammen,
und am 30. April nahmen die Kommunisten Saigon ein. Im Vietnamkrieg
wurden 15 Prozent der vietnamesischen Bevölkerung verwundet
oder getötet.
Die
Sozialistische Republik Vietnam
1976 wurde der Süden
mit dem Norden in der neuen Sozialistischen Republik Vietnam wieder
vereinigt und Saigon in Ho-Chi-Minh-Stadt umbenannt. Mit der Beendigung
des Krieges waren im Land noch lange nicht alle Schwierigkeiten
überwunden. Der riesige Flüchtlingsstrom, vor allem gebürtiger Chinesen,
der so genannten „Boat people", die mit kleinen Booten über
das Südchinesische Meer oder auf dem weniger gefahrvollen Landweg
in andere Staaten gelangen wollten, nahm mit der fortschreitenden
Sozialisierungspolitik im Süden zu. Fast 200 000 Flüchtlinge
verließen 1979 das Land. Es kam zu Grenzzwischenfällen mit der kommunistischen
Regierung Kambodschas, die nach der Niederlage Saigons schon bald
eskalierten. Anfang 1979 marschierten die Vietnamesen mit Unterstützung
oppositioneller Gruppen der Roten Khmer in Kambodscha ein und errichteten
eine provietnamesisch orientierte Regierung. Die Besetzung rief
internationalen Protest hervor. Wenige Wochen später wurde Vietnam
selbst von seinem ehemaligen Wohltäter China angegriffen, das die
Einmischung Vietnams in seine regionalen Interessen nicht dulden
wollte. Die chinesischen Truppen verursachten in den Grenzregionen
schwere Schäden, mussten aber auch selbst schwere Verluste hinnehmen.
Mitte der achtziger Jahre waren rund 140 000 vietnamesische
Soldaten in Kambodscha stationiert und weitere 50 000 in Laos.
Vietnam reduzierte 1988 sein Truppenaufgebot in Laos in beträchtlichem
Maß und zog bis zum September 1989 seine gesamten Truppen aus Kambodscha
ab.
In
Vietnam herrschten in der Nachkriegszeit schwerwiegende wirtschaftliche
und soziale Probleme. Der Wiederaufbau ging nur schleppend voran.
Die Bemühungen um eine Kollektivierung der Landwirtschaft und eine
Verstaatlichung der Unternehmen führten im Süden zu Konflikten mit
der Bevölkerung. Enttäuschende Ernteerträge, die Einverleibung der
Geldmittel durch das Militär und US-Embargos über weltweite Hilfsleistungen
und Kapitalinvestitionen erschwerten Vietnam den Weg aus der Krise.
1986 hatte die jährliche Inflationsrate die 700-Prozent-Marke erreicht.
Nach dem Tod des alten Parteichefs Le Duan 1986 übernahmen Wirtschaftsreformer,
unterstützt von einer jüngeren Generation der Kommunistischen Partei,
die Führung in der Partei. Sie verkündeten den neuen politischen
Kurs der doi moi (Erneuerung) nach dem Modell der russischen Perestroika.
Der Prozess wurde 1988 vorangetrieben, als schlechte Ernten, Hungersnöte
und Missmanagement des Staatsapparats unter dem neuen Druck der
Reformisten zu Massenentlassungen konservativer Parteiangehöriger
führten. Die Reaktionen Europas und Chinas auf die Ereignisse von
1989 führten zur Stabilisierung der kommunistischen Vormachtstellung
im Land. Das Ende der Hilfsleistungen der ehemaligen Sowjetunion
1991 und der Zusammenbruch des sowjetischen Kommunismus trieben
die Wirtschaftsreformen weiter voran.
Die
neue, 1992 in Kraft getretene Verfassung Vietnams bestätigte die
Monopolstellung der Kommunistischen Partei, räumte für ausländische
Kapitalinvestitionen aber auch gesetzliche Garantien ein und führte
Gesetze zur Regelung von Konkursen ein, um dahinsiechende staatliche
Unternehmen zur Aufgabe zu zwingen. Der politische Kurs zum Wiederaufbau
des Landes reduzierte bis zum Anfang der neunziger Jahre die Inflation
und senkte die Staatsverschuldung. Europäische und asiatische Staatsoberhäupter
beeilten sich, ihre diplomatischen Beziehungen mit Vietnam wieder
aufzunehmen. Die Vereinigten Staaten gaben schließlich ihren Widerstand
gegen die Vergabe von Darlehen und Hilfsleistungen für den Wiederaufbau
Vietnams vonseiten des Internationalen Währungsfonds und der Internationalen
Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (Weltbank) im Juli 1993 auf.
Vietnams Streben nach schnellem Wachstum wurde teilweise durch das
rapide Wachstum Chinas und durch die Bedrohung der vietnamesischen
Sicherheit forciert. Die Vereinigten Staaten hoben 1994 ihr über
Vietnam verhängtes Handelsembargo auf und errichteten im August
1995 ein diplomatisches US-Büro in Hanoi. Die Rückkehr und Eingliederung
von Vietnamesen, die nach dem Vietnamkrieg aus dem Lande flohen
und nicht als politische Flüchtlinge anerkannt wurden, zählt weiter
zu den wichtigsten innenpolitischen Themen.

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